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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Gefahr. Um es ganz kurz auszudrücken: ich habe begonnen, an meiner Fähigkeit zur vollwertigen Führung meines Amtes zu zweifeln, weil ich mein Amt selbst, weil ich das von mir zu pflegende Glasperlenspiel selbst für bedroht halten muß.
    Die Absicht dieses Schreibens ist es, der Behörde vor Augen zu führen, daß die angedeutete Gefahr bestehe und daß eben diese Gefahr, nachdem ich sie einmal erkannt habe, mich dringlich an einen anderen Ort ruft als den, an welchem ich stehe. Es sei mir erlaubt, die Situation durch ein Gleichnis zu verdeutlichen: es sitzt einer in der Dachstube über einer subtilen Gelehrtenarbeit, da merkt er, daß unten im Hause Feuer ausgebrochen sein muß.
    Er wird nicht erwägen, ob es seines Amtes sei oder ob er nicht besser seine Tabellen ins reine zu bringen habe, sondern er wird hinunterlaufen und das Haus zu retten suchen. So sitze ich, in einem der obersten Stockwerke unsres kastalischen Baues, mit dem Glasperlenspiel beschäftigt, mit lauter zarten,
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    empfindlichen Instrumenten arbeitend, und werde vom Instinkt her, von der Nase her darauf aufmerksam, daß es irgendwo unten brennt, daß unser ganzer Bau bedroht und gefährdet ist und daß ich jetzt nicht Musik zu analysieren oder Spielregeln zu differenzieren, sondern dorthin zu eilen habe, wo es raucht.
    Die Institution Kastalien, unser Orden, unser Wissenschafts-und Schulbetrieb samt Glasperlenspiel und allem scheint den meisten von uns Ordensbrüdern so selbstverständlich wie jedem Menschen die Luft, die er atmet, und der Boden, auf dem er steht. Kaum einer denkt jemals daran, daß diese Luft und dieser Boden etwa auch nicht dasein, daß die Luft uns eines Tages mangeln, der Boden unter uns hinschwinden könnte. Wir haben das Glück, wohlbehütet in einer kleinen, sauberen und heiteren Welt zu leben, und die große Mehrzahl von uns lebt, so wunderlich es scheinen möge, in der Fiktion, diese Welt sei immer gewesen, und wir seien in sie hineingeboren. Ich selbst habe meine jüngeren Jahre in diesem höchst angenehmen Wahn gelebt, während doch die Wirklichkeit mir ganz wohl bekannt war, nämlich, daß ich in Kastalien nicht geboren, sondern durch die Behörden hierher geschickt und erzogen worden sei und daß Kastalien, der Orden, die Behörde, die Lehrhäuser, die Archive und das Glasperlenspiel keineswegs immer dagewesen und ein Werk der Natur seien, sondern eine späte, edle und gleich allem Gemachten vergängliche Schöpfung des Menschenwillens.
    Dies alles wußte ich, aber es hatte für mich keine
    Wirklichkeit, ich dachte einfach nicht daran, ich sah daran vorbei, und ich weiß, daß mehr als drei Viertel von uns in dieser wunderlichen und angenehmen Täuschung leben und sterben werden.
    Aber so, wie es Jahrhunderte und Jahrtausende ohne Orden und ohne Kastalien gegeben hat, wird es auch künftig wieder solche Zeiten geben. Und wenn ich heute meine Kollegen und die verehrliche Behörde an diese Tatsache, an diese
    Binsenwahrheit erinnere und sie auffordere, einmal den Blick
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    auf die Gefahren zu lenken, die uns bedrohen, wenn ich also die eher unbeliebte und allzu leicht Spott erregende Rolle eines Propheten, Mahners und Bußpredigers für einen Augenblick übernehme, so bin ich bereit, etwaigen Spott hinzunehmen, aber es ist dennoch meine Hoffnung, daß die Mehrzahl von Euch mein Schreiben bis zu Ende lesen und daß einige von Euch mir sogar in einzelnen Punkten zustimmen werden. Das wäre schon viel.
    Eine Einrichtung wie unser Kastalien, ein kleiner Staat des Geistes, ist inneren und äußeren Gefahren ausgesetzt.
    Die inneren Gefahren, oder doch ma nche von ihnen, sind uns bekannt und werden von uns beobachtet und be- kämpft. Wir schicken immer wieder einzelne Schüler aus den Eliteschulen zurück, weil wir unausrottbare Eigenschaften und Triebe an ihnen entdecken, welche sie für unsere Gemeinschaft untauglich und gefährlich machen.
    Die meisten von ihnen, so hoffen wir, sind darum noch nicht Menschen minderen Wertes, sondern nur für das kastalische Leben ungeeignet und können nach der Rückkehr in die Welt ihnen gemäßere Lebensbedingungen finden und tüchtige Männer werden. Unsre Praxis hat sich in dieser Hinsicht bewährt, und im großen ganzen kann man von unserer
    Gemeinschaft sagen, daß sie auf ihre Würde und Selbstzucht hält und ihrer Aufgabe genügt, eine Oberschicht, einen Adelsstand des Geistes darzustellen und immer neu
    heranzubilden. Wir haben vermutlich nicht mehr an Unwürdigen und

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