Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
einem authentischen Dokument ausfüllen zu können, mit jenem umfangreichen Schreiben nämlich, in welchem der Glasperlenspielmeister selbst der Behörde die Gründe für seinen Entschluß darlegt und sie um Entlassung aus seinem Amte bittet.
    Nur muß freilich gesagt werden, daß Josef Knecht nicht nur, wie wir längst wissen, an einen Erfolg dieses so umständlich vorbereiteten Schreibens nicht mehr glaubte, sondern daß er, als es damit wirklich soweit war, sein »Gesuch« lieber gar nicht mehr geschrieben und eingereicht hätte. Es ging ihm wie allen Menschen, welche eine natürliche und anfänglich unbewußte Macht über andre Menschen ausüben: diese Macht wird nicht ohne Folgen für deren Träger geübt, und wenn der Magister froh darüber gewesen war, seinen Freund Tegularius dadurch für seine Absichten zu gewinnen, daß er ihn zu deren Förderer und Mitarbeiter werden ließ, so war das Geschehene nun stärker als seine eigenen Gedanken und Wünsche. Er hatte Fritz zu einer Arbeit geworben oder verführt, an deren Wert er, der Urheber, nicht mehr glaubte; aber er konnte diese Arbeit, als der Freund sie ihm endlich vorlegte, nicht wieder rückgängig machen, noch konnte er sie weglegen und unbenutzt lassen, ohne den Freund, dem er ja durch sie die Trennung hatte erträglich machen wollen, erst recht zu verletzen und zu enttäuschen. Wie wir zu wissen glauben, hätte es um jene Zeit Knechts Absichten weit eher entsprochen, wenn er ohne weiteres sein Amt niedergelegt und seinen Austritt aus dem Orden erklärt hätte, statt erst den vor seinen Augen nun beinahe zur Komödie gewordenen
    -375-
    Umgang mit dem »Gesuch« zu wählen. Aber die Rücksicht auf den Freund bewog ihn, seine Ungeduld nochmals für eine Weile zu beherrschen.
    Es wäre wahrscheinlich interessant, das Manuskript des fleißigen Tegularius kennenzulernen. Es bestand in der Hauptsache aus geschichtlichem Material, das er zu Beweis-oder doch Illustrierungszwecken gesammelt hatte, doch gehen wir schwerlich fehl, wenn wir annehmen, daß es auch manches spitz und geistreich formulierte Wort der Kritik an der Hierarchie sowohl wie an der Welt und Weltgeschichte enthalten habe. Allein selbst wenn dies in Monaten einer ungewöhnlich zähen Arbeitsamkeit gefertigte Manuskript, was sehr wohl möglich ist, noch existieren sollte, und wenn es uns zur Verfügung stünde, müßten wir auf seine Mitteilung doch verzichten, da unser Buch nicht der richtige Ort für seine Publikation wäre.
    Für uns ist einzig das von Wichtigkeit, welchen Gebrauch der Magister Ludi von seines Freundes Arbeit gemacht hat. Er nahm sie, als dieser sie ihm mit Feierlichkeit überreichte, mit herzlichen Worten des Dankes und der Anerkennung entgegen, und weil er wußte, daß er ihm damit eine Freude mache, bat er ihn, ihm die Arbeit vorzulesen.
    An mehreren Tagen saß nun Tegularius beim Magister eine halbe Stunde in dessen Garten, denn es war Sommerszeit, und las ihm mit Genugtuung die vielen Blätter vor, aus denen sein Manuskript bestand, und nicht selten wurde die Vorlesung durch lautes Gelächter der beiden unterbrochen. Es waren gute Tage für Tegularius.
    Nachher aber zog sich Knecht zurück und verfaßte, unter Benützung mancher Teile von seines Freundes Manuskript, sein Schreiben an die Behörde, das wir im Wortlaut mitteilen und zu welchem kein Kommentar mehr nötig ist.
    Das Schreiben des Magister Ludi an die Erziehungsbehörde
    -376-
    Verschiedene Erwägungen haben mich, den Magister Ludi, dazu bestimmt, ein Anliegen besonderer Art, statt es mit in meinen solennen Rechenschaftsbericht aufzunehmen, in diesem gesonderten und gewissermaßen privateren Schreiben vo r die Behörde zu bringen. Ich füge zwar dies Schreiben dem fälligen offiziellen Berichte bei und erwarte seine offizielle Erledigung, betrachte es aber doch eher als eine Art kollegialen Rundschreibens an meine Mitmagister.
    Es gehört zu den Pflichten des Magisters, die Behörde darauf aufmerksam zu machen, wenn seiner regelgetreuen
    Amtsführung Hindernisse entgegentreten oder Gefahren drohen.
    Meine Amtsführung nun ist (oder scheint mir), obwohl ich beflissen bin, dem Amt mit allen meinen Kräften zu dienen, durch eine Gefahr bedroht, welche in meiner eigenen Person ihren Sitz, wohl aber nicht ihren einzigen Ursprung hat.
    Wenigstens halte ich die moralische Gefahr einer Schwächung meiner persönlichen Eignung zum Glasperlenspielmeister zugleich für eine objektiv und außerhalb meiner Person bestehende

Weitere Kostenlose Bücher