Das Glasperlenspiel
So daß ich lesend, in Minuten oder Stunden, Der ganzen Menschheit Weg noch einmal ging Und ihrer ältesten und jüngsten Kunden Gemeinsam inneren Sinn in mir empfing.
Ich las und sah der Bilderschrift Gestalten Sich miteinander paaren, rückentfalten, Zu Reigen ordnen, auseinanderfließen Und sich in neue Bildungen ergießen, Kaleidoskop
sinnbildlicher Figuren, Die unerschöpflich neuen Sinn erfuhren.
Und wie ich so, von Schauungen geblendet, Vom Buch aufsah zu kurzer Augenrast, Sah ich: ich war hier nicht der einzige Gast.
Es stand im Saal, den Büchern zugewendet, Ein alter Mann, vielleicht der Archivar, Den sah ich ernsthaft, seines Amts beflissen, Beschäftigt bei den Büchern, und es war Der eifrigen Arbeit Art und Sinn zu wissen Mir seltsam wichtig. Dieser alte Mann, So sah ich, nahm mit zarter Greisenhand Ein Buch heraus, las, was auf Buches Rücken Geschrieben stand, hauchte aus blassem Munde Den Titel an - ein Titel zum Entzücken, Gewähr für manche köstliche Lesestunde! - Löscht' ihn mit wischendem Finger leise fort, Schrieb lächelnd einen neuen, einen andern, Ganz andern Titel drauf, begann zu wandern Und griff nach einem Buch bald da, bald dort, Löscht' seinen Titel aus, schrieb einen andern.
Verwirrt sah ich ihm lange zu und kehrte, Da mein Verstand sich zu begreifen wehrte, Zurück zum Buch, drin ich erst wenig Zeilen Gelesen hatte; doch die Bilderfolgen, Die eben mich
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beseligt, fand ich nimmer, Es löste sich und schien mir zu enteilen Die Zeichenwelt, in der ich kaum gewandelt Und die so reich vom Sinn der Welt gehandelt; Sie wankte, kreiste, schien sich zu verwelken, Und im Zerfließen ließ sie nichts zurück Als leeren Pergamentes grauen Schimmer.
Auf meiner Schulter spürt ich eine Hand Und blickte auf, der fleißige Alte stand Bei mir, und ich erhob mich. Lächelnd nahm Er nun mein Buch, ein Schauer überkam Mich wie ein Frieren, und sein Finger glitt Wie Schwamm darüber; auf das leere Leder Schrieb neue Titel, Fragen und Versprechungen, Schrieb ältester Fragen neuste jüngste Brechungen Sorgfältig buchstabierend seine Feder.
Dann nahm er Buch und Feder schweigend mit.
Dienst Im Anfang herrschten jene frommen Fürsten, Feld, Korn und Pflug zu weihen und das Recht Der Opfer und der Maße im Geschlecht Der Sterblichen zu üben, welche dürsten Nach der Unsichtbaren gerechtem Walten, Das Sonn' und Mond im Gleichgewichte hält, Und deren ewig strahlende Gestalten Des Leids nicht kennen und des Todes Welt.
Längst ist der Göttersöhne heilige Reihe Erloschen, und die Menschheit blieb allein, In Lust und Leides Taumel, fern vom Sein, Ein ewiges Werden ohne Maß und Weihe.
Doch niemals starb des wahren Lebens Ahnung, Und unser ist das Amt, im Niedergang Durch Zeichenspiel, durch Gleichnis und Gesang Fortzubewahren heiliger Ehrfurcht Mahnung.
Vielleicht, daß einst das Dunkel sich verliert, Vielleicht, daß einmal sich die Zeiten wenden, Daß Sonne wieder uns als Gott regiert Und Opfergaben nimmt von unsern Händen.
Seifenblasen Es destilliert aus Studien und Gedanken Vielvieler Jahre spät ein alter Mann Sein Alterswerk, in dessen krause Ranken Er spielend manche süße Weisheit spann.
Hinstürmt voll Glut ein eifriger Student, Der sich in Büchereien und Archiven Viel umgetan und den der Ehrgeiz
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brennt, Ein Jugendwerk voll genialischer Tiefen.
Es sitzt und bläst ein Knabe in den Halm, Er füllt mit Atem farbige Seifenblasen, Und jede prunkt und lobpreist wie ein Psalm, All seine Seele gibt er hin im Blasen.
Und alle drei, Greis, Knabe und Student Erschaffen aus dem Maya-Schaum der Welten Zaubrische Träume, die an sich nichts gelten, In welchem aber lächelnd sich erkennt Das ewige Licht, und freudiger entbrennt.
Nach dem Lesen in der Summa contra Gentiles Einst war, so scheint es uns, das Leben wahrer, Die Welt geordneter, die Geister klarer, Weisheit und Wissenschaft noch nicht gespalten.
Sie lebten voller, heitrer, jene Alten, Von dene n wir bei Plato, den Chinesen Und überall so Wunderbares lesen - Ach, und sooft wir in des Aquinaten Wohl abgemeßnen Summentempel traten, So schien uns eine Welt der reifen, süßen, Der lautern Wahrheit ferneher zu grüßen:
Alles schien dort so licht, Natur von Geist durchwaltet, Von Gott her zu Gott hin der Mensch gestaltet, Gesetz und Ordnung formelschön verkündet, Zum Ganzen alles ohne Bruch gerundet.
Statt dessen scheint uns Späteren, wir seien Zum Kampf verdammt, zum Zug durch Wüsteneien, Zu Zweifeln nur und
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