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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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in sich vereinigte, die ersehnte Richtung auf ein gemeinsames Ziel nicht ganz, und so ergab seine mathematische Begabung, in der Zusammenarbeit mit seinem Philologenscharfsinn, jene wunderlich aus Akribie und Phantastik gemischte›Zeiten-Ordnung‹, die ihn so manche Jahre beschäftigt hat.«
    »Es ist schon gut«, meinte Jakobus, »daß Sie nicht Historiker sind, Sie neigen wirklich zum Phantasieren.
    Aber ich verstehe, wie Sie es meinen; Pedant bin ich nur in meiner Fachwissenschaft.«
    Es wurde ein ergiebiges Gespräch, ein Sich-Erkennen der beiden, eine Art von Befreundung daraus. Dem Gelehrten schien es mehr als Zufall, oder mindestens doch ein recht besonderer Zufall, daß sie beide, er aus seiner benediktinischen, der Junge aus seiner kastalischen Gebundenheit her, diesen Fund getan und diesen armen württembergischen Klosterpräzeptor entdeckt hatten, diesen ebenso herzenszarten wie felsenfesten, ebenso versponnenen wie nüchternen Mann; es mußte etwas da sein, was sie beide verband, auf die derselbe unscheinbare Magnet so stark gewirkt hatte. Und von jenem Abend an, der mit der
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    Sonate von Purcell begonnen hatte, war in der Tat das Etwas und die Verbundenheit da. Jakobus genoß den Austausch mit einem so geschulten und noch so bildsamen jungen Geist, dies Vergnügen ward ihm nicht allzuoft, und für Knecht wurde der Umgang mit dem Historiker und die Schulung durch ihn, welche nun begann, eine neue Stufe auf jenem Weg des Erwachens, als den er sein Leben betrachtete. Um es in wenigen Worten zu sagen: er lernte durch den Pater die Historie, lernte die Gesetzlichkeiten und Widersprüchlichkeiten des
    Geschichtstudiums und der Geschichtschreibung kennen und lernte in den folgenden Jahren darüber hinaus die Gegenwart und das eigene Leben als geschichtliche Wirklichkeit sehen.
    Ihre Gespräche wuchsen oft zu richtigen Disputationen, Angriffen und Rechtfertigungen aus, im Anfang war es freilich mehr Pater Jakobus, der sich angriffslustig zeigte.
    Je mehr er den Geist seines jungen Freundes kennenlernte, desto mehr tat es ihm leid, diesen so Hohes versprechenden jungen Menschen ohne die Zucht einer religiösen Erziehung und in der Scheinzucht einer intellektuell- ästhetischen Geistigkeit aufgewachsen zu wissen.
    Was er etwa an Knechts Denkart zu tadeln fand, schrieb er auf Rechnung dieses »modernen« kastalischen Geistes, seiner Wirklichkeitsferne, seiner Neigung zu spielerischer Abstraktion.
    Und wo Knecht ihn durch unverdorbene, seiner eigenen Denkart nahe verwandte Auffassungen und Äußerungen überraschte, triumphierte er darüber, daß seines jungen Freundes gute Natur der kastalischen Erziehung so kräftig Widerstand ge leistet habe.
    Josef nahm die Kritik an Kastalien sehr ruhig auf, und wo der alte Herr in seiner Leidenschaftlichkeit ihm zu weit zu gehen schien, wies er seine Angriffe kühl zurück. Übrigens waren unter den herabsetzenden Äußerungen des Paters über Kastalien auch solche, denen Josef zum Teil recht geben mußte, und in einem Punkt lernte er während seiner Mariafelser Zeit gewaltig um. Es handelte sich um das Verhältnis des kastalischen Geistes
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    zur Weltgeschichte, um das, was der Pater »den völligen Mangel an geschichtlichem Sinn« nannte. »Ihr Mathematiker und Glasperlenspieler «, konnte er sagen, »habet euch eine Weltgeschichte zurechtdestilliert, die bloß noch aus Geistes- und Kunstgeschichte besteht, eure Geschichte ist ohne Blut und Wirklichkeit; ihr wisset genau Bescheid über den Verfall des lateinischen Satzbaues im zweiten oder dritten Jahrhundert und habet von Alexander oder von Cäsar oder von Jesus Christus keine Ahnung. Ihr behandelt die Weltgeschichte wie ein Mathematiker die Mathematik, wo es nur Gesetze und Formeln gibt, aber keine Wirklichkeit, kein Gut und Böse, keine Zeit, kein Gestern, kein Morgen, nur eine ewige, flache,
    mathematische Gegenwart.«
    »Aber wie soll man Geschichte treiben, ohne Ordnung in sie zu bringen?« fragte Knecht.
    »Gewiß soll man Ordnung in die Geschichte bringen«,
    wetterte Jakobus. »Jede Wissenschaft ist, unter andrem, ein Ordnen, ein Vereinfachen, ein Verdaulichmachen des
    Unverdaulichen für den Geist. Wir glauben in der Geschichte einige Gesetze erkannt zu haben und versuchen, auf sie beim Erkennen der geschichtlichen Wahrheit Rück- sicht zu nehmen.
    So etwa, wie wenn ein Anatom beim Zerlegen eines Körpers sich nicht vor lauter ganz und gar überraschende Funde gestellt sieht, sondern durch das Vorfinden

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