Das Glasperlenspiel
merkwürdigste und ehrwürdigste Phänomen der Geschichte.«
Knecht bewunderte den Pater auch noch in seinen zornigen Ungerechtigkeiten. Dabei hatte er damals noch keine Ahnung
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davon, wer Pater Jakobus wirklich war, er sah in ihm lediglich einen profunden und genialen Gelehrten und wußte noch nicht, daß er außerdem ein Mann war, der selber mit Bewußtsein in der Weltgeschichte stand und sie mitgestalten half, der führende Politiker seiner Kongregation und der von vielen Seiten um Auskunft, Rat, Vermittlung angegangene Kenner der politischen Geschichte und politischen Gegenwart. Etwa zwei Jahre, bis zu seinem ersten Urlaub, verkehrte Knecht mit dem Pater lediglich als mit einem Gelehrten und kannte von dessen Leben, Tätigkeit, Ruf und Einfluß bloß die eine, ihm zugekehrte Seite.
Dieser gelehrte Herr verstand zu schweigen, auch noch in der Freundschaft, und seine Brüder im Kloster verstanden es ebenfalls besser, als Josef ihnen zugetraut hätte.
Nach etwa zwei Jahren hatte Knecht sich im Kloster so vollkommen eingelebt, als ein Gast und Außenseiter das irgend konnte. Er war je und je dem Organisten dabei behilflich gewesen, in seinem kleinen Motettenchor eine uralt ehrwürdige, große Tradition in dünnem Faden bescheiden weiterzuführen. Er hatte einige Funde im klösterlichen Musikarchiv getan und einige Abschriften alter Werke nach Waldzell und namentlich nach Monteport geschickt. Er hatte eine kleine Anfängerklasse von Glasperlenspielern herangezogen, zu welcher jetzt auch als eifrigster Schüler jener junge Anton gehörte. Er hatte dem Abt Gervasius zwar nicht das Chinesische, doch aber das
Manipulieren mit den Schafgarbenstengeln und eine bessere Methode des Meditierens über die Sprüche des Orakelbuches beigebracht; der Abt hatte sich sehr an ihn gewöhnt und hatte längst auch seine anfänglichen Versuche, den Gast gelegentlich zum Weintrinken zu verführen, aufgegeben. Die Berichte, in denen er halbjährlich auf die offizielle Anfrage des Glasperlenspielmeisters Antwort gab, wie man in Mariafels mit Josef Knecht zufrieden sei, waren Lobpreisungen. In Kastalien wurden genauer als diese Berichte die Lektions- und
Zeugnislisten über Knechts Spielkursus geprüft; man fand das
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Niveau bescheiden, war aber mit der Art zufrieden, wie der Lehrer sich diesem Niveau und überhaupt der Sitte und dem Geist des Klosters anzupassen wußte. Am meisten zufrieden und wahrhaft überrascht aber war man in der kastalischen Behörde, ohne dies freilich den Beauftragten merken zu lassen, über den häufigen, vertraulichen, ja schließlich geradezu
freundschaftlichen Umgang Knechts mit dem berühmten Pater Jakobus.
Dieser Umgang hat allerlei Früchte getragen, über die uns ein der Erzählung etwas vorgreifendes Wort erlaubt sei, oder doch über diejenige Frucht, welche Knecht die liebste war. Sie reifte langsam, langsam, sie wuchs so abwartend und mißtrauisch heran wie die Samen von Bäumen des Hochgebirges, die man unten im üppigen Tiefland gesät hat: diese Samen, einem fetten Boden und gütigen Klima übergeben, tragen als Erbschaft das Zurückhalten und Mißtrauen in sich, mit dem ihre Väter aufgewachsen sind, das langsame Tempo des Wachsens gehört zu ihren erblichen Eigenschaften. So ließ der kluge Alte, daran gewöhnt, jede Möglichkeit eines Einflusses auf ihn mißtrauisch zu kontrollieren, all das nur zögernd und schrittweise in sich Wurzel fassen, was der junge Freund, der Kollege vom Gegenpol, ihm an kastalischem Geist zubrachte. Allmählich indessen keimte es doch, und von allem Guten, was Knecht in seinen Klosterjahren erlebt hat, war das Beste und ihm Kostbarste dieses knappe, aus hoffnungslos scheinenden Anfängen zögernd heranwachsende Vertrauen und Sichöffnen des erfahrenen Alten, sein langsam keimendes, noch langsamer zugestandenes Verständnis für seines jüngeren Bewunderers Person nicht nur, sondern auch für das, was an ihm von spezifisch kastalischer Prägung war. Schritt für Schritt führte der Junge, scheinbar beinahe nur Schüler, Zuhörender und Lernender, den Pater, der zu Anfang die Worte »kasta- lisch«
oder »Glasperlenspieler« nur mit ironischer Betonung, ja ausgesprochen als Schimpfworte benutzt hatte, zur
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Anerkennung, zum duldenden erst und schließlich auch zum achtungsvollen Geltenlassen auch dieser Geistesart, auch dieses Ordens, auch dieses Versuches zu einer geistigen Adelsbildung.
Der Pater hörte auf, die Jugend des Ordens zu bemäkeln,
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