Das Glasperlenspiel
nun oft genug schon begegnet war und welche er längst, obwohl er jedesmal Lust fühlte, sich ihr zu entziehen, als ein lebendiges und wichtiges Element im Ordensleben erkannt hatte. Hier im Kloster beschloß er, doppelt zurückhaltend zu sein; es wäre ihm wie ein Verstoß gegen die Gastfreundschaft erschienen, wenn er diesen noch der geistlichen Erziehung unterstehenden Jüngling hätte beeinflussen wollen; auch war ihm ja das strenge Keuschheitsgebot, unter welchem man hier stand, wohlbekannt, und ihm schien, dadurch könnte eine knabenhafte Verliebtheit noch gefährlicher werden. Jedenfalls mußte er jede Möglichkeit eines Anstoßes vermeiden und richtete sich danach.
In der Bibliothek, dem einzigen Ort, an dem er jenem Anton des öftern begegnete, machte er auch die Bekanntschaft eines Mannes, den er anfangs seiner bescheidenen Erscheinung wegen
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beinahe übersehen hatte, den er dann mit der Zeit genauer kennenlernte und zeitlebens mit einer dankbaren Verehrung geliebt hat wie nur etwa noch den Alt-Musikmeister. Es war der Pater Jakobus, wohl der bedeutendste Geschichtschreiber des Benediktinerordens, damals etwa sechzig Jahre alt, ein hagerer ältlicher Mann mit einem Sperberkopf auf langem sehnigem Halse, mit einem Gesicht, das von vorn, namentlich da er mit seinen Blicken sehr sparsam war, etwas Lebloses und
Erloschenes hatte, dessen Profil aber mit der kühn
geschwungenen Linie der Stirn, dem tiefen Einschnitt überm Nasenrücken, der scharfgeschnittenen Hakennase und dem etwas kurzen, aber gewinnend rein auslaufenden Kinn eine ausgeprägte und eigenwillige Persönlichkeit anzeigte.
Der stille alte Mann, der übrigens dann bei näherem
Kennenlernen höchst temperamentvoll sein konnte, hatte einen eigenen, stets mit Büchern, Handschriften und Landkarten bedeckten Studiertisch im kleineren, innern Raum der Bücherei inne und schien in diesem Kloster, das so unschätzbare Bücher besaß, der einzige wirklich ernstlich arbeitende Gelehrte zu sein.
Übrigens war es jener Novize Anton, der Josef Knecht unabsichtlich auf den Pater Jakobus aufmerksam machte.
Knecht hatte bemerkt, daß jener innere Raum der Bibliothek, wo der Gelehrte seinen Arbeitstisch stehen hatte, beinahe wie ein privates Studierzimmer betrachtet und von den wenigen Benutzern der Bücherei nur im Notfalle und dann nur leise und respektvoll auf Zehenspitzen betreten wurde, obwohl der dort arbeitende Pater gar nicht den Eindruck machte, so leicht störbar zu sein. Natürlich hatte sich Knecht alsbald dieselbe Rücksic ht zum Gebot gemacht, und schon dadurch war der arbeitsame Alte seiner Beobachtung entrückt geblieben. Nun hatte dieser eines Tages sich von Anton mit einigen Büchern bedienen lassen, und als Anton aus jenem innern Raum zurückkehrte, fiel es Knecht auf, daß er eine kleine Weile in der offenen Türe stehenblieb und zu dem an seinem Tische in die Arbeit Versunkenen
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zurückblickte mit einem schwärmerischen Ausdruck von Bewunderung und Ehrfurcht, gemischt mit jenem Gefühl beinahe zärtlicher Rücksicht und Hilfsbereitschaft, wie sie gutartige Jugend zuweilen der Kahlheit und Gebrechlichkeit des Alters entgegenbringt. Zunächst freute sich Knecht dieses Anblickes, der ja auch an sich schön war, auch zeigte er ihm immerhin, daß es bei Anton eine Schwärmerei für Ältere und Bewunderte auch ohne jede leibliche Verliebtheit gebe. Im nächsten Augenblick kam ihm ein eher ironischer Gedanke, dessen er sich beinahe schämte, der Gedanke: wie spärlich es in diesem Institute hier um die Gelehrsamkeit bestellt sein müsse, wenn der einzige ernstlich tätige Gelehrte des Hauses von der Jugend so wie ein Wundertier und Fabelwesen angestaunt wurde. Immerhin, dieser beinahe zärtliche Blick der
bewundernden Verehrung, welchen Anton auf den Alten heftete, öffnete Knecht die Augen für die Erscheinung des gelehrten Paters, und indem er von da an je und je einen Blick auf diesen Mann warf, entdeckte er sein römisches Profil und entdeckte allmählich dies und jenes an Pater Jakobus, das auf einen nicht gewöhnlichen Geist und Charakter hinzudeuten schien. Daß er Historiker sei und für den eingeweihtesten Kenner der Geschichte der Benediktiner gelte, war ihm schon bekannt.
Eines Tages sprach der Pater ihn an; er hatte nichts von dem breiten, betont wohlwollenden, betont gutgelaunten und etwas onkelhaften Tonfall, der zum Stil des Hauses zu gehören schien.
Er lud Josef ein, ihn nach der Vesper in seinem Zimmer zu
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