Das Glasperlenspiel
der mit seinen kaum mehr als zwei Jahrhunderten freilich dem benediktinischen um anderthalb Jahrtausende nachstand, er hörte auf, im Glasperlenspiel nur ein ästhetisches Dandytum zu sehen, und hörte auf, für die Zukunft so etwas wie eine Befreundung und Verbündung der beiden so ungleich alten Orden als unmöglich abzulehnen. Daß die Behörden in dieser teil weisen Gewinnung des Paters, welche Josef als ein persönliches und privates Glück ansah, den Gipfel seiner Mariafelser Sendung und Leistung sahen, davon ahnte er noch eine ganze Weile nichts. Je und je besann er sich ergebnislos darüber, wie es nun eigentlich mit seinem Auftrag im Kloster stehe, ob er eigentlich hier etwas leiste und nütze, ob seine Sendung an diesen Ort, welche anfänglich eine Beförderung und Auszeichnung zu sein schien und von den Mitstrebenden beneidet wurde, nicht auf die Dauer eher einen rühmlosen Ruheposten, ein Abgeschobensein auf ein totes Geleise bedeute.
Lernen konnte man ja überall etwas, warum also nicht auch hier? Aber im Sinn Kastaliens war dies Kloster hier, einzig den Pater Jakobus ausgenommen, kein Garten und Vorbild der Gelehrsamkeit, und ob er im Glasperlenspiel durch die Isolierung zwischen lauter meist genügsamen Dilettanten nicht schon einzurosten beginne und Rückschritte mache, wußte er auch nicht recht festzustellen. Es half ihm jedoch bei dieser Unsicherheit sein Mangel an Strebertum sowohl wie sein schon damals ziemlich weit gediehener amor fati. Ihm war, alles in allem, sein Leben als Gast und kleiner Fachlehrer in dieser altbehäbigen Klosterwelt eher angenehmer, als es die letzte Waldzeller Zeit im Kreis der Ehrgeizigen gewesen war, und sollte das Schicksal ihn etwa für immer auf diesem kleinen kolonialen Posten belassen, so würde er zwar einiges an seinem
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Leben hier zu andern suchen, zum Beispiel einen seiner Freunde hierher zu manövrieren suchen oder zumindest sich jährlich einen längern Urlaub nach Kastalien erbitten, im übrigen aber damit zufrieden sein.
Der Leser dieser biographischen Skizze wartet vielleicht auf Bericht über eine andere Seite von Knechts Klostererlebnis, über die religiöse. Wir wagen darüber nur behutsame Andeutungen.
Daß Knecht in Mariafels eine innigere Begegnung mit der Religion, einem täglich praktizierten Christentum, gehabt habe, ist nicht nur wahrscheinlich, es geht auch aus mancher seiner späteren Äußerungen und Haltungen sogar deutlich hervor; doch müssen wir die Frage, ob und wieweit er dort etwa zum Christen geworden sei, unbeantwortet lassen, diese Bezirke sind unsrer Forschung nicht zugänglich. Er hatte über den in Kastalien gepflegten Respekt vor den Religionen hinaus eine gewisse Art der Ehrfurcht in sich, die wir wohl fromm nennen dürfen, und er war über die christliche Lehre und ihre klassischen Formen schon in den Schulen, und speziell beim Studium der
kirchlichen Musik, recht gut unterrichtet worden, vor allem waren ihm das Sakrament der Messe und der Ritus des
Hochamtes gut bekannt. Bei den Benediktinern hatte er nun, nicht ohne Erstaunen und Ehrfurcht, eine ihm bisher theoretisch und historisch bekannte Religion als eine noch lebende kennengelernt, er nahm an vielen Gottesdiensten teil, und seit er sich mit einigen der Schriften von Pater Jakobus vertraut gemacht und dessen Gespräche auf sich hatte wirken lassen, war ihm vollends das Phänomen dieses Christentums sichtbar geworden, das in den Jahrhunderten so viele Male unmodern und überholt, antiquiert und erstarrt geworden war und sich doch immer wieder auf seine Quellen besonnen und an ihnen erneuert hatte, das Moderne und Siegreiche von gestern wieder hinter sich zurücklassend.
Er wehrte sich auch nicht ernstlich gegen den ihm in jenen Unterhaltungen je und je nahegelegten Gedanken, daß
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möglicherweise auch die kastalische Kultur nur eine
verweltlichte und vergängliche Neben- und Spätform der christlichabendländischen Kultur sei und von ihr einst wieder würde aufgesogen und zurückgenommen werden. Mochte dem so sein, sagte er einst dem Pater, so war doch ihm nun einmal sein Platz und sein Dienst innerhalb der kastalischen, nicht etwa der benediktinischen Ordnung angewiesen, hier hatte er mitzuarbeiten und sich zu bewähren, unbekümmert darum, ob die Ordnung, deren Glied er sei, Anspruch auf ewige oder auch nur lange Dauer habe; eine Konversion hätte er nur als eine nicht ganz würdige Form von Flucht betrachten können.
So hatte auch jener verehrte
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