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Das Glück der Zikaden

Das Glück der Zikaden

Titel: Das Glück der Zikaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Boehning , Pößneck GGP Media GmbH
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Abgewandtheit zu begehen, als Gregor bei langen Spaziergängen im Tal und in den Bergen verschwunden war, selbst zum Essen kam er nie zu ihr ins Haus. Jetzt schien er hier angekommen zu sein, die Tatsache wollte begossen werden. Sie holte gleich zwei weitere Flaschen aus der Kammer.
    Mit dem Öffner stach sie den Korken an, wand ihn heraus, er sträubte sich bis zuletzt. Sie goß den Wein nicht um, sie wollte keinen Aufwand machen, Gregor nicht mit Karaffen oder ähnlichem beeindrucken, sie goß zwei Gläser bis oben hin voll.
    Sie trank einen ersten Schluck allein, das fruchtige Warme, es fügte sich an den Tag, es trug ein ruhiges Ausatmen in sich, sie spürte, wie ihre Schultern sich ein Stück weit entspannten. Gregor stand in der Küchentür und hatte einen Büschel Salbei in der Hand, hielt ihn ihr entgegen und grinste selbst über das Ungelenke in seiner Geste.
    Senta ließ zu, im ersten warmen Zirkulieren des Rotweins, wie Gregor sich ihrer Küche bemächtigte, sie setzte sich auf den hintersten Stuhl am Tisch, schlug die Beine über, legte den Kopf an die Wand. Ohne richtig hinzuschauen, zupfte er die Blätter von den Stengeln, wusch sie unter laufendemWasser, die Hände als Sieb, warf sie in die Pfanne, fand im Kühlschrank Butter, knallte die Tür so, daß es klirrte, schnitt die Butter über die Blätter, fast das ganze Paket, wendete das Papier, sagte, » con heißt mit Salz? Ich brauch Zucker«, Senta nickte zum Regal hin und trank, Gregor trank auch, sein Glas neben dem Herd, er suchte ohne zu fragen einen Topf in einem der Unterschränke, füllte ihn mit Wasser, Salz, Öl, immer nur kurze Blicke, bis er die Zutaten fand, Senta schien wie vergessen auf ihrem Stuhl am Rande der Szene, eingehüllt in den karamelisierenden Salbeigeruch und den Rotwein. Mit beiläufigen Griffen brachte Gregor die Flamme zum Leuchten, das Wasser zum Kochen, die Butter zum Schmelzen, stellte zwei Teller auf den Tisch, zwei Gabeln dazu, goß die Nudeln zwischen Topf und Deckel ab, warf sie in die Pfanne, hob das gußeiserne Ding mit einer Hand hoch und trug es an den Tisch. Er hatte einen Riesenberg Nudeln gemacht, wie für eine Familie. Senta schob die alte Fliese, die am Rand lang, in die Mitte, er stellte die Pfanne darauf ab. Erst jetzt spürte sie, wie sehr sie es genossen hatte, daß er einfach alles gemacht hatte, ohne groß zu fragen, geradeso wie sonst nur ihre Kinder in ihrer Küche kochten, selbstbewußt, ohne Mißverständnisse, wie ab und zu Katarina für sie gekocht hatte, ein Essen zusammen mit der Mutter, ein kleines, geteiltes Glück.
    Der Salbei war bitter und auch buttrig-süß, Senta überwand sich und sagte: »Ich bin froh, daß du dieses Mal in meine Richtung mitgekommen bist.«
    »Wie Kinder, die losrennen und keine Illusion auslassen«, sagte er, als sei es ein Lob über den Wein.
    Senta sog eine hängende Spaghetti ein.
    »Schmeckt’s anders, ohne Bart?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Ich bin nicht losgerannt wie ein Kind.«
    »Ich aber«, sagte Gregor und lächelte zum ersten Mal.
    Ihr Leben lang jemanden anders zu spielen, das hatte sie gut hingekriegt. Jetzt schwamm sie im Pool, unter dem schwarzblauen Himmel, nackt, im mildwarmen Türkis. Unter einer Oberfläche, die ihre Silhouette in einem Flimmern verbarg. Gregor war vor ihr von der anderen Seite mit einem Köpper hineingesprungen, er schwamm lange, ruhige Bahnen, er näherte sich ihr, er kreuzte an ihr vorbei. Seine Nacktheit war beunruhigend, und doch gewöhnte sie sich langsam daran. Er kam ihr nicht wirklich nahe. Er hatte sich weggedreht, als sie sich ausgezogen hatte und in den Pool gestiegen war.
    Ein Haufen Wespen vor dem gleißenden Licht, ein weiterer Haufen am schnorchelnden Schwimmer der Pumpe. Tropfen auf dem Sandstein der Einfassung, kleine Inseln. Wie hauchzart der Glaube war, die sie fassende Gewißheit, alles richtig gemacht zu haben, das eine Leben.
    Senta drehte sich auf den Bauch, die Augen knapp über der Wasseroberfläche, sie sah seine Hände, Arme, seinen Kopf, das seitlich aus dem Wasser gedrehte Gesicht, er kraulte. Sie spürte, daß sie sich ihm nähern wollte. Sie wünschte, daß er sich ihr näherte.
    Sie schwammen schweigend, von ferne das Klingeln der Schafsglocken unten am Hang, kein Wind, nur das Gluckern des Wassers, das bleiche Leuchten, die Kühle über ihr, wo ihr Körper der Luft ausgesetzt war, die Wärme im Wasser, ein kuschelweicher Selbstbetrug, sie war nicht dafür gemacht, zu lange im Wasser zu

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