Das Glueck einer einzigen Nacht
lassen.“
„Zeit – davon habe ich leider nicht genug“, erwiderte Barbara mutlos. Sie blickte in das ernste Gesicht ihrer Großmutter und wußte gar nicht, wie verzweifelt sie in diesem Augenblick aussah. „Er will sich das Sorgerecht für Danny erkämpfen. Er glaubt immer noch, daß ich schuld sei an Edwards Tod. Jetzt will er sich an mir rächen.“ Barbara lachte verkrampft. „Ist das nicht geradezu eine Ironie des Schicksals? Er will mich heute dafür bestrafen, daß ich damals einmal nicht nur an mich gedacht hatte.“ Ihr Kinn zitterte ein wenig, bevor sie es entschlossen verreckte. „Aber Danny wird kein zweites unschuldiges Opfer des Krieges zwischen Marvin und mir werden. Und wenn Marvin auch versuchen sollte, mich zu zerstören – ich lasse es nicht zu, daß er Danny etwas tut.“
„Das sind schwerwiegende Worte, die du da aussprichst – Rache, Zerstörung.
Bist du dir sicher, daß Marvin dich so sehr haßt und ihm so wenig an Danny liegt?“
Barbaras Blick verlor sich in der Ferne. „Warum kann mein Leben nicht so geradeaus und unkompliziert verlaufen wie deines, Grandma?“ seufzte sie. „Was du mich gelehrt hast, war doch einfach genug: Lebe nach der Bibel, halte stets zu deinem Mann und laß niemals deine Freunde im Stich. Aber ich kann den Frieden nicht finden, der dir ein Leben lang Kraft gegeben hat.“
„Du bist nicht für das einfache Leben geschaffen, Liebes. Ich mache dir daraus keinen Vorwurf. Ich sage nur, daß einem aus der Unzufriedenheit oft Leid erwächst.“
„Glaube mir, Grandma, Geld und Reichtum haben mich nie interessiert. Es war Anerkennung, wonach ich gestrebt habe. Ich wollte geachtet und respektiert werden.“ Mit einem Mal fing ihre Stimme an zu zittern. „Es war Stolz, Grandma…
alberner Stolz und noch etwas…“ Mit sehnsuchtsvollem Blick schaute Barbara in die Dämmerung hinaus. „Es war das brennende Verlangen nach einem außergewöhnlichen Mann“, gab sie leise zu. „Und es ist immer umsonst gewesen.“
Stumm schaukelte Grandma in ihrem Stuhl hin und her. Auf die letzten Worte ihrer Enkelin konnte sie nichts erwidern.
3. KAPITEL
Mit einem hellen Juchzen schwang sich Danny an einem dicken Hanfseil über den Wasserfall hinaus und ließ sich dann in das schäumende Wasser des kleinen Stausees fallen. Da er diese Mutprobe bereits mindestens zum dreißigsten Male erfolgreich wiederholte, hatte sich Barbaras Sorge inzwischen ebenso gelegt wie ihre Begeisterung über diese Heldentat. Als ihr Sohn diesmal prustend wieder an der Wasseroberfläche auftauchte, winkte sie ihm nur lächelnd zu. Betrübt über das mangelnde Interesse seiner Mutter, schüttelte Danny seine nassen Locken und paddelte ziellos im Wasser umher, während er nach neuen Abenteuern suchte.
Unterdessen rieb sich Barbara die langen Beine mit Sonnenöl ein, ließ aber ihren Sprößling dabei keinen Moment aus den Augen. Sie hatte sich immer bemüht, ihre übermäßige Fürsorge zu verbergen und nie versucht, Dannys kindliche Neugier oder seinen Abenteuergeist einzuschränken. Aber obwohl sie sich selbst als kleines Mädchen unzählige Male von der alten Eiche ins Wasser plumpsen ließ, wußte sie, daß dieser Spaß nicht ganz ungefährlich war. Und so beobachtete sie möglichst unauffällig, wie Danny ans Ufer paddelte und die felsige Böschung hinaufkletterte, wo die alte Eiche stand.
Während sie jetzt das Sonnenöl auf ihre nackten Schultern und den zarten Brustansatz rieb, blickte sie unter ihren langen, rotbraunen Wimpern ihren Sohn an, eine Miniaturausgabe von Marvin Farrett. Wie sehr er doch seinem Vater glich! Er besaß das gleiche Selbstvertrauen, die gleiche Zielstrebigkeit. Langsam ließ sie die Flasche mit dem Sonnenöl sinken, richtete sich auf und beschattete mit der Hand die Augen, um nachdenklich dieses lebhafte kleine Ebenbild Marvins zu betrachten. Danny war ihr gemeinsames Kind – Marvins Erbe, ihrer beider Sohn.
Erfreut, daß seine Mutter ihm wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte, strahlte Danny von seinem Hochsitz aus auf sie herab. Dann schlug er sich wie KingKong mit den kleinen Fäusten auf die. Brust, schrie wie Tarzan, ergriff das Seil und schwang sich weit über den See hinaus. Sekunden später tauchte sein roter Lockenkopf aus dem Wasser auf. Erleichtert atmete Barbara auf. Es war ihr gar nicht aufgefallen, daß sie sekundenlang den Atem angehalten hatte.
„Ich glaube, die Wasserschildkröten brauchen jetzt eine Ruhepause, Danny.
Warum setzt du
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