Das Glueck einer einzigen Nacht
mußte als Siegerin aus dem Gefecht hervorgehen. Es ging um ihren Sohn. Sie war bereit, erbittert um ihn zu kämpfen, und sie war entschlossen, diesen Kampf zu gewinnen.
Über den nachtschwarzen Himmel zuckten Blitze, beleuchteten sekundenlang die dunklen Baumwipfel, die sich im Wind bogen. In den Ställen hinter dem Farrettschen Anwesen fuhren die Pferde erschreckt zusammen, legten die Ohren zurück und rollten vor Angst mit den Augen.
Mit beruhigenden Worten ging Marvin von einer Pferdebox zur anderen, versuchte die aufgeschreckten Tiere zur Ruhe zu bringen. „Keine Aufregung, Desperado“, sagte er leise und strich dem schlanken Araberhengst über die geblähten Nüstern. Nervös scharrte das Pferd mit den Hufen auf dem Lehmboden.
Als ein heftiger Windstoß die Stalltür zuschlug, wieherte ein Fohlen in der hintersten Box ängstlich auf. Dazu trat es mit den Hufen heftig gegen die Stallwand. „Es ist ja alles in Ordnung“, versuchte Marvin das nervöseste seiner Pferde zu beruhigen. Vorsichtig näherte er sich dem empfindsamen Tier. Als das Fohlen seine Worte hörte, warf es den Kopf hoch und begann mit den Flanken gegen die Wände der Box zu schlagen. Langsam streckte Marvin die Hand nach ihm aus. Doch das erregte Tier scheute.
„Du weißt offenbar immer noch nicht, wie man mit einem Füllen umgeht, Marvin.“
Beim Klang von Barbaras melodischer Stimme fuhr Marvin erschrocken zusammen und drehte sich abrupt um. Die Hände in den Hosentaschen, lehnte Barbara nur einen Meter von ihm entfernt lässig in der Stalltür.
„Was zum Teufel hast du hier zu suchen, Barbara?“ brummte er unfreundlich.
Barbara antwortete nicht gleich. Langsam schlenderte sie an ihm vorbei zu dem Füllen. „Aber, aber, mein Mädchen“, murmelte sie in eintönigem Singsang. „Ein bißchen Wind, ein bißchen Licht, das ist alles. Kein Grund zur Aufregung.“ Beruhigend strich sie mit der Hand über den schlanken Pferdehals. Sofort wurde das Tier ruhiger, ein Zittern lief über seine Flanken, und es entspannte sich.
Barbara fuhr fort, das Fohlen mit sanften Bewegungen zu Streichern. Dann legte sie einen Moment die Wange an den seidigen Hals des Pferdes und schaute zu Marvin auf, der sie mit bewunderndem Blick beobachtete.
Ihre leisen Worte hatten selbst ihn regelrecht hypnotisiert. Es kostete Marvin einige Anstrengung, die Faszination, die sie auf ihn ausübte, abzuschütteln.
Langsam erlosch der Glanz in seinen Augen, wurde durch einen verwirrten Ausdruck ersetzt. Gerade wollte er wieder eine Erklärung für ihr überraschendes Auftauchen fordern, als Barbara ihm zuvorkam.
„Ich möchte mit dir über Danny sprechen, Marvin. Es ist wichtig“, erklärte sie. In dem dämmrigen Licht schimmerten ihre Augen fast so violett wie ihre Bluse.
Dieser Anblick dämpfte Marvins Feindseligkeit ein wenig. Trotzdem antwortete er bestimmt: „Die Diskussion um Danny wird in Zukunft nur noch über unsere Rechtsanwälte stattfinden.“
„Deshalb bin ich hier, Marvin. Ich hatte gehofft, wir könnten den unerfreulichen Kampf vor Gericht vermeiden. Denn ganz egal, wie unser Tauziehen ausgehen würde, der Verlierer wäre in jedem Fall Danny.“ Sie trat von der Pferdebox zurück, steckte wieder die Hände in die Hosentaschen und ging langsam zur Stalltür zurück.
Mit stahlhartem Blick verfolgte Marvin jede ihrer Bewegungen. „Da du nicht einmal zugeben willst, daß dein Sohn ein Farrett ist, bleibt mir doch gar keine andere Wahl, als vor Gericht zu ziehen.“
„Und wenn ich bereit bin, diese Tatsache anzuerkennen, läßt du dann von deinem Vorhaben ab?“ Ihre Stimme klang gespannt, und haltsuchend lehnte sie sich an den Türrahmen.
„Nein!“ Marvin warf noch einen letzten Blick auf seine Pferde, bevor auch er zur Tür ging. Wenige Zentimeter vor Barbara blieb er plötzlich stehen, als sei ihm etwas eingefallen. „Du verstehst immer noch nicht, worum es geht, nicht wahr?“ fragte er. „Ich bin nicht an einem öffentlichen Eingeständnis interessiert. Ich will Danny! Nimm dir einen Rechtsanwalt, Barbara, und wenn ich dir einen Rat geben darf: Nimm dir einen guten, denn du wirst ihn brauchen.“ Mit diesen Worten riß er die Stalltür auf und stürmte an ihr vorbei, ohne sich ein einziges Mal nach ihr umzuschauen.
Impulsiv lief Barbara ihm über den gepflasterten Weg und den gepflegten Rasen hinterher. Sturmböen fegten über sie hinweg. Barbara streckte den Arm aus, um ihn beim Hemdärmel festzuhalten. „Willst du wirklich um
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