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Das Glueck einer einzigen Nacht

Das Glueck einer einzigen Nacht

Titel: Das Glueck einer einzigen Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Bryan
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Marvins Hand ergriff, hoffte er inständig, daß seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren.
    Doch Marvin äußerte sich nicht weiter. „Ich bringe dich zur Tür“, war alles, was er sagte.
    „Das brauchst du nicht. Ich finde den Weg schon allein. Auf Wiedersehen, Marvin.“ Plötzlich schämte Lloyd sich, daß er gekommen war und Marvin mit einer Geschichte belästigt hatte, die ihn sowieso nicht zu interessieren schien.
    Eilig verließ er die Bibliothek.
    Kaum hatte Lloyd die Haustür hinter sich geschlossen, da kam Leben in Marvin.
    Zuerst rief er in seinem Büro an, um sich Lloyds Bericht bestätigen zu lassen.
    Aber er stauchte auch seine Sekretärin zusammen, weil sie ihn nicht benachrichtigt hatte. Dann ging er zu Danny hinaus. Auf keinen Fall sollte das Kind von den Vorgängen etwas mitbekommen. Den Rest des Vormittags beschäftigte er sich mit dem Jungen, schmiedete aber im stillen bereits Pläne für den Abend.
    Später suchte er sich die nötigen Unterlagen zusammen, um Hershells Lügen zu widerlegen, und schmiedete einen Angriffsplan. Grandma Logan wurde überredet, Danny noch eine Nacht bei ihm schlafen zu lassen. Dann zog sich Marvin in sein Arbeitszimmer zurück.
    Wie so oft, wenn er allein in dem stillen Haus war, verfiel Marvin ins Grübeln. Ich weiß, du bist auf Barbara nicht gut zu sprechen, hatte Lloyd gesagt. Seine Worte gingen ihm immer wieder durch den Kopf, während er in seinem Sessel saß und Edwards Porträt anstarrte. Vielleicht hatte Lloyd recht! Aber was zwischen ihm und Barbara war, das ging nur ganz allein sie beide an. Er konnte und würde nicht tatenlos zusehen, wie das ganze Dorf über Barbara herfiel. Er konnte ihr zwar nicht verzeihen, aber im Stich lassen würde er sie auch nicht.

    Während sein Blick auf dem Bild seines Bruders ruhte, erinnerte er sich daran, was Edward einmal über die Dorfbewohner gesagt hatte: „Ich kann mir einfach nicht erklären, warum keiner ihr eine Chance gibt. Jeder findet etwas Schlechtes an ihr. Nur, weil sie von einem kleinen TalHof kommt. Das ist doch nicht fair.“ Plötzlich sehnte sich Marvin entsetzlich nach seinem Bruder, Edward war immer so stark, so sicher in seinen Entscheidungen gewesen. Sein Blick fiel auf das Holzkästchen auf dem Regal. Dort lag seit so vielen Jahren Edwards Tagebuch aus Vietnam, das man nach seinem Tod an die Familie geschickt hatte. Wie oft schon hatte Marvin es aufgeschlagen, wollte es lesen. Doch nie war er über die erste Seite hinweggekommen. Der Schmerz war einfach zu groß. Aber heute erschien es ihm auf einmal ungeheuer wichtig, die letzten Gedanken seines Bruders zu erfahren.
    Langsam stand er auf und ging zum Regal, um sich das Holzkästchen zu holen.
    Helles Sonnenlicht fiel ins Zimmer, als er das Tagebuch aufschlug und zu lesen begann. Viele Stunden später, als bereits die Nachmittagssonne lange Schatten in sein Zimmer warf, hatte Marvin einen Bruder, eine Frau und ein Kind kennengelernt, die ihm bisher völlig unbekannt gewesen waren. Die Schrift verschwamm vor seinen Augen, als er die letzten Eintragungen las: Dezember, 1971: Irgendwo im MekongDelta. Es ist so feucht hier von dem Monsunregen, und ich bin müde und erschöpft. Irgendwie habe ich jedes Zeitgefühl verloren. Wie viele Tage sind es wohl noch bis Weihnachten?
    Weihnachten! Ich glaube, das Fest wird mir am meisten fehlen. Die verdammte Post kommt immer viel zu spät. Wahrscheinlich bekomme ich mein Weihnachtspaket erst zum chinesischen Neujahr. Manchmal frage ich mich, wer ich überhaupt bin und was ich hier zu suchen habe. Früher dachte ich immer, ich wüßte alles, aber jetzt, hier… Ja, in Farretts Corner, da hatte ich immer auf alles eine Antwort oder bildete es mir jedenfalls ein. Sogar Marvin habe ich etwas vorgemacht. Ich wollte mehr als nur in einem kleinstädtischen Unternehmen Chef sein, habe ich immer gesagt. Und wahrscheinlich glaubte ich das damals sogar selbst. Ich haßte Farretts Corner. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Von hier aus gesehen, war es das reinste Paradies! Eines weiß ich jedoch genau: Vietnam hat mich verändert. So viele Dinge würde ich heute anders machen.
    Mein Gott, ich habe mein Leben wirklich verpfuscht!
    Zum Beispiel Barbara. Ich wußte immer, daß sie Marvin über alles liebte. Aber ich habe sie nie ermutigt, sich mir anzuvertrauen. Ich brauchte sie, sie brachte Licht und Wärme in mein langweiliges Leben. Wann immer wir uns getroffen und miteinander geredet haben, war das für

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