Das Glueck einer einzigen Nacht
Verlassen lagen die Paddelboote und Kanus am Ufer, nur eine Entenfamilie glitt über die glasklare Wasseroberfläche. Das Bild strahlte eine solche Ruhe aus, daß Barbara fast die Sorgen vergaß, die sie zu Hause erwarteten.
Jim stellte den Wagen ab, und dann liefen sie eine ganze Weile schweigend am Ufer entlang. Jeder von ihnen war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.
Endlich brach Jim das Schweigen. „Barbara?“ fragte er zögernd.
„Ja“, antwortete sie abwesend und beobachtete einen scharlachroten Kardinal, der sich gerade auf einem Tannenzweig niederließ.
„Dies ist vielleicht nicht der richtige Augenblick, aber ich muß dir sagen, was ich auf dem Herzen habe. Bitte, Barbara, hör mich in Ruhe an, bevor du antwortest.“ Barbara nickte. Dabei hoffte sie inständig, daß ihre Befürchtungen nicht wahr würden.
„Ich bin ein einfacher Mann, Barbara, geradeheraus und offen. Deshalb werde ich dir meine Bitte ohne große Worte vortragen. Du bist eine schöne, intelligente und liebenswerte Frau* eine Frau, auf die jeder Mann stolz sein kann. Ich kann dir nicht das Leben bieten, an das du gewöhnt bist. Aber ich möchte dir meine Liebe geben, jetzt und für immer. Während deiner Abwesenheit ist mir klargeworden, wie tief meine Gefühle für dich sind. Ich liebe dich, Barbara, und ich wäre über alle Maßen glücklich, wenn du meine Frau würdest.“ Jim stellte sich vor sie hin und legte ihr seine großen, kräftigen Hände auf die Schultern.
Barbara senkte den Kopf. Es war ihr unmöglich, seinem hoffnungsvollen Blick zu begegnen. Warum mußte sie diesen wunderbaren Mann nur verletzen? Aber er verdiente es zumindest, die Wahrheit zu erfahren. Denn nur dann würde er verstehen, warum sie seinen Heiratsantrag ablehnen mußte.
„Anders als du, Jim, bin ich kein einfacher, sondern ein ziemlich komplizierter Mensch.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig, doch dann sprach sie weiter. „Wie gern würde ich dein Angebot annehmen. Aber ich kann es nicht, weil ich schon gebunden bin – nicht durch eine Heirat, aber durch einen Bund, der für mich ebenso verbindlich ist wie das Eheversprechen. Ich habe mein Herz vor langer Zeit schon verschenkt. Es gehört dem einzigen Mann, den ich wirklich geliebt habe – Marvin Farrett.“ Sie spürte, wie der Griff seiner Hände plötzlich erschlaffte und sich Enttäuschung in seinem Gesicht spiegelte. „Ich will dir etwas anvertrauen, was nicht einmal Marvin weiß. Danny ist sein Sohn. Wir waren so jung, Jim. Marvin war so unentschlossen und ich zu stolz, um seine Entscheidung zu beeinflussen. Unser Leben bestand aus einer Folge von Mißverständnissen, Schmerz und mangelndem Vertrauen. Wir haben unsere besten Jahre geopfert, aber beide kein Glück finden können. Wir haben uns und andere verletzt, und noch immer ziehen wir andere in unsere unglückselige Beziehung mit hinein. Es muß endlich aufhören. Ich kann und will nicht noch einmal aus falschem Stolz einen Fehler machen.“
Jim legte ihr erneut den Arm um die Schultern, und langsam gingen sie weiter.
Er wußte, sie konnte nur mit Mühe die Fassung bewahren, und wollte ihr die peinliche Situation erleichtern. „Du solltest unbedingt mit Marvin reden“, riet er ihr.
„Nein!“ wehrte sie scharf ab. „Für ein Geständnis ist es längst zu spät.“
„Was habt ihr dann für eine Zukunft?“
„Gar keine.“
„Aber ihr liebt euch doch“, gab Jim zu bedenken. „In dieser Welt erlebt man so selten wirkliches Glück. Wie kannst du nur von vornherein alle Hoffnung aufgeben? Ihr zwei müßt versuchen, wieder zusammenzufinden.“
„Es gab einmal eine Zeit, da dachte ich ebenso. Ich hätte alles für Marvin riskiert.
Aber jetzt, nach so langer Zeit und so vielen Enttäuschungen, habe ich eingesehen, daß unsere Liebe zum Scheitern verurteilt ist. Auch wenn ich Marvin immer lieben werde, will ich keine Beziehung aufrechterhalten, die von Anfang an keine Zukunft hatte. Jedesmal, wenn wir zusammenkamen, hat unsere Liebe uns und anderen Unglück gebracht.“ Sie blieb stehen, blickte gedankenverloren auf den See hinaus. „Als wir die Flamme entfachten, hatten wir beide keine Ahnung, was daraus werden würde: eine verheerende Feuersbrunst, die alles zerstörte, was ihr in den Weg kam.“
„Du klingst verbittert, Barbara. Du solltest dir mit dieser Einstellung nicht deine Zukunft verbauen.“ Besorgt blickte Jim sie an.
„Nicht verbittert, nur resigniert, Jim“, seufzte Barbara.
„Ich bin dein Freund,
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