Das Glück einer Sommernacht
Laden leer.“
Kelsey nahm es als großes Kompliment, dass er sie nicht zu dieser Gruppe dazurechnete. „Ist es denn nicht sehr gut fürs Geschäft?“
„Es ist Gift für die Nerven“, gab Farley zurück. „Immer auf der Suche nach irgendwelchem Schnickschnack, die Leute, oder sie kommen mit Fragen, ob meine Bohnen ‚fair trade‘ sind. Hier steht auf dem Schild, dick und fett. Können die nicht lesen?“
Kelsey lächelte ihm über den Rand ihres Kaffeebechers zu. „Vielleicht nicht.“
Farley wollte gerade noch etwas hinzufügen, da bimmelte die Ladenglocke. Zwei Männer und drei Frauen, eindeutig Touristen, betraten gemeinsam den Raum. Die Männer trugen die Uniform fast aller Sommerurlauber in der Gegend: Hawaiihemden und Kaki-Shorts. Ihre Begleiterinnen wirkten in der Hinsicht etwas individueller. Und alle hatten sie entweder einen Strohhut oder eine Baseballkappe auf dem Kopf.
„Haben Sie Cappuccino?“, fragte eine der Frauen im Näherkommen.
„Alles, was wir haben, steht hier“, antwortete Farley und warf Kelsey einen vielsagenden Blick zu.
„Wer braucht schon Café latte, geben Sie mir einen simplen schwarzen Kaffee“, sagte einer der Männer. Er war hochgewachsen, blond und athletisch. Mit einem Lächeln bemerkte er zu Kelsey: „Zu schade, dass es das noch nicht intravenös gibt.“
„Und wie würden Sie dann Zucker drantun?“, fragte Kelsey belustigt.
„Wen kümmert das, solange es nur schön schnell in den Blutkreislauf geht.“ Der Fremde grinste und erklärte nach einer Pause: „Jetzt weiß ich, wo wir uns gesehen haben. Nels Birdgarten’s Galerie-Vernissage, stimmt’s?“
Kelsey verdrehte innerlich die Augen. Würde sie jedes Mal einen Dollar bekommen, wenn jemand mit dieser wenig originellen Anmache kam, dann bräuchte sie sich wegen ihrer Schulden keine Sorgen mehr zu machen.
„Vielleicht haben sich unsere Wege schon mal irgendwo in New York gekreuzt“, gab sie höflich zurück.
„Könnte sein. Oder es war ein sehr lahmer Aufhänger, um mich vorzustellen.“ Der Mann lachte. „Tom Forbes.“
Immerhin gab er es selbst zu. Der Mann hatte Humor. Kelsey schüttelte die Hand, die er ihr entgegenstreckte, und stellte sich ihrerseits vor.
„Sie sind also aus New York“, fuhr er fort. „Kommen Sie oft hierher in die Berkshires?“
„Es ist das erste Mal. Ich habe hier einen Job für diesen Sommer. Und Sie?“
„Ich verbringe seit meiner Kindheit hier jedes Jahr meine Ferien. Meine Eltern haben ein Haus am See. Keine schlechte Gegend, wenn man es gern ruhig mag.“
Sie wissen ja gar nicht, was richtig ruhig ist, dachte Kelsey.
„Außerdem gibt es hier unschlagbar guten Kaffee“, bemerkte sie lachend.
„Nicht unbedingt New Yorker Standard, aber er tut es“, sagte ihr Gesprächspartner achselzuckend.
Hinter der Kasse hüstelte Farley nachdrücklich.
Tom ignorierte ihn und hob den Becher an die Lippen.
„Tom!“, rief eine der Frauen. „Wir gehen schon rüber in den Laden mit dem Kunsthandwerk.“
„Geht ruhig schon, Moira. Ich trinke meinen Kaffee hier fertig, außer …“ Er lächelte Kelsey breit an. „Es sei denn, ich kann Sie zu einem Frühstück im Gasthof überreden.“
Kelsey biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich sollte sie nach Nuttingwood zurückfahren. Andererseits tat es gut, dass zur Abwechslung einmal jemand an ihrer Gesellschaft interessiert war. Was hätte sie darum gegeben, wenn Alex ihr gegenüber nur ein einziges Mal eine Andeutung eines solchen Lächelns gezeigt hätte.
Sie griff nach einem Plastikdeckel für ihren Kaffee.
„Warum nicht?“, sagte sie und lächelte zurück. „Frühstück klingt gut.“
Viel später als vorgesehen kehrte Kelsey nach Nuttingwood zurück. Tom hatte sich als äußerst angenehme Gesellschaft erwiesen, charmant, gesprächig, unterhaltsam. Ein bisschen großspurig, aber sympathisch. Er beschrieb sich selbst als Sozialschmarotzer und hatte erklärt, er betätige sich ein wenig in allen möglichen Gebieten.
„Sie wissen schon“, hatte er auf ihre Frage gesagt, „ein Freelance-Projekt hier, einen Blog-Artikel da …“
Mit anderen Worten, er war anscheinend reich genug, um nicht ernsthaft arbeiten zu müssen.
Beim Abschied hatte er darauf bestanden, dass sie ihm ihre Handynummer gab, und hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass er sie gern wiedersehen würde. Wären sie in New York gewesen, hätte sie das Angebot vielleicht in Erwägung gezogen, aber hier, unter den gegebenen Umständen, zögerte
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