Das Glück einer Sommernacht
jetzt bewusst, wie unangemessen ihre Reaktion ihm erschienen sein musste. Nach allem, was sie seit ihrer Ankunft hier angerichtet hatte, war dies nun vielleicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und der Alex Markoff endgültig veranlasste, sie loszuwerden.
Puddin’ lag zusammengerollt an seinem üblichen Platz auf der Terrasse, als sie das Büro betrat. Sie warf dem dösenden Kater einen kurzen Blick zu und setzte sich an ihren Tisch. Während sie wartete, bis ihr Computer sich hochgeladen hatte, trank sie Kaffee aus einem Ersatzbecher. Dabei versuchte sie sich einzureden, dass der veränderte Geschmack nur Einbildung war.
Dann ging sie, wie jeden Morgen, ans Abtippen, und wie immer zog Alex’ Geschichte sie ganz in ihren Bann und vertrieb alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf. Sie war für die Ablenkung dankbar und versenkte sich völlig in den vor ihr liegenden Text. Bald bekam sie von der Außenwelt nichts mehr mit.
Sie hörte nicht, wie die Tür aufging und Schritte sich näherten. Ja, sie merkte überhaupt nichts, bis etwas mit einem dumpfen Geräusch neben ihr auf der Tischplatte landete. Sie löste den Blick von Alex’ Zeilen, blickte auf den Tisch und blinzelte. Da stand, mitten zwischen den Papieren, ihr Kaffeebecher. Angeschlagen und gesprungen, aber wieder ganz.
„Ich fürchte, er wird keine Flüssigkeit mehr halten können“, sagte Alex ruhig. „Aber so können Sie ihn sich vielleicht ins Regal stellen.“
Behutsam fuhr sie mit dem Zeigefinger über das Porzellan und spürte die Stellen, an denen die Scherben recht holprig geklebt waren. Der Becher war schon vorher nicht mehr sehr ansehnlich gewesen, aber jetzt sah es wie die Bastelarbeit eines Kindergartenkindes aus.
Trotzdem saß ihr vor Rührung ein dicker Kloß in der Kehle. Sie brachte kein Wort heraus und hob nur stumm den Blick.
Alex erwiderte ihren Blick, und der Unwille, den sie sonst ständig in seinen Augen las, war verschwunden. Er sah sie sanft und aufmerksam an. „Der Becher bedeutet Ihnen viel“, bemerkte er halb fragend.
Ihre Kehle war immer noch wie zugeschnürt, also nickte sie nur wortlos.
„Das dachte ich mir.“
„Er hat meiner Mutter gehört“, erklärte Kelsey, als ihre Stimme ihr endlich wieder gehorchte.
Sie musste ihm hinterherrufen, denn Alex war schon auf dem Weg zur Tür. Obwohl er gar nicht nachgefragt hatte, wollte sie ihm die Sache erklären. Er sollte wissen, warum sie so überreagiert hatte. „Sie starb, als ich vier war“, fügte sie hinzu. „Der Becher ist das Einzige, was ich noch von ihr habe.“
Natürlich musste Alex sich fragen, was das wohl für eine Familie war, die einem Kind nur einen alten Kaffeebecher hinterlassen hatte. Aber er sagte nichts. Er hatte sich noch einmal zu Kelsey umgedreht, nickte nur, und sie sah ihm an, dass er sie verstand. Zumindest redete sie sich das ein, weil ein solches Gefühl der Dankbarkeit sie jetzt erfüllte.
„Dann war es ja gut, dass ich einen Porzellankleber habe“, bemerkte er nur.
„Ja“, erwiderte sie und lächelte ihn an. „Sehr gut.“
5. KAPITEL
Sei kein Feigling. Minutenlang stand Kelsey schon vor Alex’ Zimmertür und zögerte anzuklopfen. So gern sie auf dieses Gespräch verzichtet hätte, sie konnte es nicht länger aufschieben. Mr Lefkowitz wünschte einen Lagebericht von ihr.
Nachdem sie seine Anfragen per E-Mail tagelang ignoriert hatte, war heute ein Anruf von ihm gekommen. Ein sehr gereizter Anruf. „Ich hoffe, ich habe nur deshalb nichts von Ihnen gehört, weil Sie so mit Tippen beschäftigt sind“, hatte Lefkowitz bemerkt, sobald sie sich gemeldet hatte. Das war so ungefähr der letzte freundliche Satz in ihrem Gespräch gewesen.
Sie gab sich einen Ruck und klopfte.
„Ja?“, hörte sie. Es klang abwesend und wie von weit her.
Sie schob die Tür auf und steckte ihren Kopf ins Zimmer. Alex saß an seinem Tisch am Fenster. Der Boden im näheren Umkreis war von Dutzenden zerknüllten, gelben Papierkugeln übersät. Er arbeitete! Das war ein gutes Zeichen.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe“, begann sie.
„Sie tun es ja trotzdem. Was gibt es?“ Dabei hob er den Blick nicht von seinem Papier.
„Mr Lefkowitz hat angerufen. Er möchte wissen, wie weit Sie mit dem Roman sind.“
Alex sah immer noch nicht auf. „Ich bin sicher, Sie haben ihm getreulich Bericht erstattet.“
„Ich habe ihm gesagt, dass Sie wunderbar vorankommen und dass wir fast fertig sind.“
Jetzt wurde Alex endlich
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