Das Glück einer Sommernacht
undeutlicher und verwischter als sonst.
Kelsey musste lächeln. „Genauso hat Farley Grangerfield Sie genannt. Eremit.“
Alex verzog das Gesicht. In seiner Schläfrigkeit und seinem sonstigen aufgelösten Zustand wirkte die Grimasse überraschend verletzlich. „Ich bin sicher, die Leute in der Stadt haben alle möglichen Namen für mich.“
„Warum glauben Sie überhaupt, dass so viel über Sie geredet wird?“, fragte Kelsey ernst.
„Eine halbe Million Google-Treffer könnten ein Hinweis sein“, gab er zurück. „Schon vergessen?“
„Nein, natürlich nicht“, sagte sie heftiger als beabsichtigt. Wie könnte sie das vergessen!
Als Alex jetzt die Füße auf den Boden stellte, rutschte die Decke, die sie über ihn gelegt hatte, zu Boden.
Sofort hob Kelsey sie auf, während sie ergänzte: „Aber nicht jeder Mensch ist so …“
„… ein Schnüffler?“
„… neugierig wie ich“, schloss sie. Bei der Erinnerung daran, wie Alex sie bei ihrer Internet-Recherche über ihn ertappt hatte, überlief es sie wieder heiß. Hatte er denn recht? Einmal Klatsch-Opfer, immer Klatsch-Opfer?
Sie legte ihm die Decke wieder über die Knie. „Obwohl Sie natürlich die Spekulationen nur anheizen, wenn Sie sich in eine Festung in die Wildnis zurückziehen“, sagte sie vorsichtig.
„Ich bin hier, weil ich meine Privatsphäre mag“, entgegnete er nur.
Kelsey sah, wie er sich die Augen rieb. „Immer noch Kopfschmerzen?“
Rochelles Migräneattacken hatten manchmal Tage angedauert, und einmal war es so schlimm gewesen, dass sie ins Krankenhaus gekommen war und Morphium-Infusionen bekommen musste.
Alex ging auf den Themawechsel ein. „Es ist schon viel besser. Das Zeug hat geholfen. Und der Schlaf. Noch ein paar Stunden, dann ist wieder alles vorbei.“
Sollte sie ihn jetzt allein lassen? „Gehen Sie nach oben in Ihr Zimmer?“, fragte sie vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf, schloss die Augen und sank wieder in die Kissen. „Noch nicht. Ich habe es bequem hier.“
„Gut. Dann bis morgen früh“, sagte sie und wollte gehen.
„Kelsey?“
Er streckte die Hand aus und fasste sie am Handgelenk. Die Geste wäre gar nicht nötig gewesen, denn Kelsey war sofort stehen geblieben, als er sie rief.
„Ja?“, fragte sie.
„Danke.“
Das war alles, nur ein einziges Wort. Aber Alex Markoffs Gesichtsausdruck war in dieser Sekunde so ungeschützt und offen, das Grau in seinen Augen schimmerte so neu und anders, dass das eine Wort sie berührte wie ein ganzer Roman.
Er ließ ihren Arm nicht los, und sein Griff war gleichzeitig sanft und fest. Kelsey spürte jeden einzelnen Finger an ihrer Haut pulsieren. Es war wie ein Echo ihres eigenen Herzschlags. Langsam lächelte sie.
„Gern geschehen.“ Zögernd entzog sie ihm ihre Hand und lief hinaus.
„Habe ich mir denn ernsthaft eingebildet, dass sich jetzt irgendetwas ändern würde?“, fragte Kelsey am nächsten Morgen durch die offene Terrassentür den Kater. Sie saß an ihrem Schreibtisch, und Puddin’ lag draußen in der Sonne. „Ja, ich habe ihm seine Medizin gebracht, als er Kopfschmerzen hatte. Keine große Sache.“ Eine Sekunde der Dankbarkeit hebt die Welt nicht aus den Angeln.
Aber einen Moment lang hatte sie das Gefühl gehabt, sie würden sich verstehen. Immer noch spürte sie die Stelle, an der seine Finger sich um ihr Handgelenk geschlossen hatten. Als hätte es zwischen ihnen auch eine innere Verbindung gegeben.
Sie hatte sich das nur eingebildet! Denn heute Morgen war Alex genau derselbe distanzierte, finstere Mann gewesen, den sie bei ihrer Ankunft kennengelernt hatte. Er schien sogar noch reservierter als gewöhnlich zu sein, falls das überhaupt möglich war.
„Den Mann hat man einmal in seinem Leben durch den Wolf gedreht“, erklärte sie Puddin’. Dabei speicherte sie sorgsam die Seiten, die sie bis jetzt getippt hatte. „Ich würde mich wahrscheinlich genauso verhalten, wenn die Welt mich so auseinandergenommen hätte. Fragt sich nur, was er tun will, wenn sein Buch erscheint und ein neuer Rummel um seine Person losgeht.“
Falls es jemals erschien! Ihr Blick wanderte zurück zu dem Stapel gelber Schreibblöcke. Heute Morgen hatte Mr Lefkowitz ihr eine E-Mail geschickt und um einen Lagebericht gebeten. Nein, nicht gebeten. Er hatte einen Bericht gefordert! Bis jetzt war Kelsey einer Antwort ausgewichen. Sie hatte inzwischen vielleicht gerade mal ein Drittel des geplanten Buchumfangs eingegeben, berücksichtigte man noch alle
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