Das Glück einer Sommernacht
Gefühle auf, die ihr selbst nicht klar waren.
Und vielleicht wollte sie es auch lieber nicht so genau wissen.
Eine Woche später hatte Alex einen Termin im Krankenhaus, um seinen Arm untersuchen zu lassen. Da er mit seinem Gips die Gangschaltung nicht bedienen konnte, fuhr Kelsey ihn hin. Normalerweise hätte ihr das überhaupt nichts ausgemacht, aber sie hatte nicht daran gedacht, wie es sein würde, mit Alex gemeinsam im Auto zu sitzen.
Er saß nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Die Wärme seines Körpers strahlte zu ihr herüber, sein Duft hüllte sie ein. Seine Hand lag auf der Armlehne, so nah, dass sie jedes Mal, wenn sie die Gangschaltung betätigte, mit dem Unterarm seine Fingerknöchel streifte.
Gott sei Dank hatten sie nicht Alex’ Sportwagen, sondern ihren eigenen Wagen genommen. Sie hatte jetzt solche Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren, dass sie mit einem fremden Sportwagen ganz sicher schon längst im Graben gelandet wäre.
Da die Stille die Anspannung nur noch verstärkte, begann Kelsey zu plaudern. Zum Glück war Alex für seine Verhältnisse ebenfalls geradezu gesprächig.
Nachdem sie Themen wie das Wetter und den Straßenzustand erschöpft hatten, wagte sie es, ihm eine Frage zu stellen, die sie schon seit ihrer Ankunft beschäftigte. „Kann ich Sie etwas Persönliches fragen?“
Wie zu erwarten war, wurde seine Miene sofort verschlossener. „Was möchten Sie wissen?“, erwiderte er dennoch ruhig.
„Wie haben Sie sich eigentlich den Arm gebrochen?“
„Ach, das.“ Sie spürte seine Erleichterung. „Hat Stuart Ihnen das nicht gesagt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Er sagte nur, Sie hätten einen Unfall gehabt.“
„Diese Diskretion hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“ Alex schien immer noch ernsthaft überrascht darüber zu sein. Achselzuckend erklärte er: „Ich bin über eine Baumwurzel gestolpert und hingefallen, als ich im Wald unterwegs war.“
„Waren Sie allein?“
Er nickte.
Natürlich, was für eine Frage! „Und wie haben Sie Hilfe bekommen?“
„Ich habe mir nur den Arm gebrochen, Kelsey. Kein Bein. Ich bin nach Hause gelaufen und habe einen Krankenwagen gerufen.“
Irgendwie bezweifelte Kelsey, dass das Ganze so glattgegangen war, wie er es jetzt darstellte. Mit einem gebrochenen Arm über diese Waldwege zu laufen, die sie inzwischen kannte … Es musste höllisch wehgetan haben!
„Und Sie hatten niemanden, der Ihnen helfen konnte …“, sagte sie langsam.
„Sie gehen anscheinend davon aus, dass ich Hilfe wollte.“
Kelsey dachte daran, wie er mit seinem Migräneanfall umgegangen war. „Nein, ich habe nur angenommen, Sie hätten Hilfe brauchen können.“
„Haben wir neulich nachmittags nicht darüber geredet, wie problematisch solche Mutmaßungen sind?“
„War das, bevor oder nachdem Sie hilflos auf dem Sofa lagen?“, fragte sie ironisch.
„Über das Wort hilflos könnten wir noch streiten“, entgegnete er trocken. Aber kurz schien es ihr, als lächelte er fast dabei. „Jedenfalls habe ich es damals mit dem Arm ohne Probleme ins Krankenhaus geschafft.“
Und anschließend war er allein in sein leeres Haus zurückgekehrt. Sie wusste, dass Alex sich dafür entschieden hatte, so zu leben, aber die Vorstellung, wie er allein und mit Schmerzen hier gelegen hatte, machte sie traurig. „Und wie haben Sie sich hier anschließend versorgt? Was war mit den Schmerzmitteln und Medikamenten und alldem?“
„Ich bin klargekommen.“
„Das bezweifle ich nicht.“ Klargekommen. Das klang so … nach dem absoluten Minimum. Als hangelte er sich nur eben so durch.
Das musste sie selbst doch nur zu gut wissen! ‚Klarkommen‘ war auch immer das Motto ihres eigenen Lebens gewesen. Klarkommen und sich anpassen.
Warum erschien ihr ‚klarkommen‘ plötzlich so furchtbar traurig und ungenügend?
Sie gab sich einen Ruck und nahm den Faden wieder auf. „Haben Sie damals nach dem Unfall begonnen, von Hand zu schreiben?“
„Nein, ich schreibe schon immer mit Bleistift. Ich habe damit angefangen, als ich noch unterrichtet habe und mir Notizen zwischen …“
„Sie waren Lehrer?“ Vor Verblüffung wäre sie beinahe auf die Bremse getreten.
„Lehrer für Englisch an der Highschool“, bestätigte er.
„Unglaublich.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Wieso, können Sie sich mich nicht als Lehrer vorstellen?“
Sie lachte. „Ehrlich gesagt, nein.“ Sie konnte sich nicht vorstellen, wie er täglich Umgang mit vielen Menschen hatte, und
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