Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
Vom Netzwerk:
bekam eine Stelle als Bäcker offeriert. Irgendjemand hatte einem anderen von ihm erzählt, und der kannte einen Bäckerbetrieb, wo dringend Verstärkung gesucht wurde.
    Andi grinste bis zu den Ohren, als er mir davon erzählte. »Siehste, es steht doch jemand vor der Tür.«
    »Ne, ich hatte recht«, beharrte ich. »An der Tür steht keiner. Das Telefon hat geklingelt.«
    Andis blaue Augen schossen Blitze, und er warf mit einem Kissen nach mir. Ich warf es zurück. Mit Schmackes. Ja, es ist möglich, auf 15 Quadratmetern um die Wette zu rennen. Allerdings landet man früher oder später im Bett.

    Mit Andis Verdienst konnten wir uns eine größere Wohnung leisten und fanden sie in Schnabelwaid, einem kleinen Dorf, knapp 20 Kilometer entfernt von Bayreuth. Die Dachwohnung lag im vierten Stock, ohne Lift. Die Treppenstufen wollten kein Ende nehmen, was uns besonders beim Umzug vor Schwierigkeiten stellte. Aber was machte das schon? Wir waren jung und unsere Beine muskulös. Die Holztreppe schraubte sich so eng nach oben, dass wir den Lattenrost nur mit einer ausgeklügelten Choreographie transportieren konnten. Die Wohnung bestand aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad und einem Büro, das sich – ohne dass wir darüber sprachen – jederzeit in ein Kinderzimmer verwandeln könnte.
    »Den Kinderwagen kannste ja unten stehen lassen«, sagte meine Freundin Steffi, die ich im Hotel kennengelernt hatte. An einen Rollstuhl und daran, dass man den eben nicht unten stehen lassen kann, sondern auch oben braucht, dachte zu dieser Zeit niemand. Steffi hatte die Ausbildung im Hotel mit mir begonnen, dann aber bald in ein anderes Hotel gewechselt. In der Zeit nach meinem Umzug war ich im Hotel in der Abteilung Housekeeping tätig: Wäsche waschen, mangeln, Zimmer und Restaurant putzen. Nicht unbedingt das, wobei ich laut »Hier!« geschrien hätte. Dafür genoss ich regelmäßige Arbeitszeiten von 7 bis 16 Uhr. Da Andi früh nach Hause kam, verbrachten wir viel Zeit miteinander. Er legte sich mittags kurz aufs Ohr und erwartete mich dann ausgeschlafen.
    Nach dem Housekeeping sollte ich an die Rezeption – endlich! Dieser Umschlagplatz war von Beginn meiner Lehre an mein Ziel gewesen. Nicht, dass ich etwas gegen Putzen habe. Jeder im Hotel soll mal putzen, auch die Chefs, aber es soll auch mal wieder aufhören. Gelegentlich fragte ich mich, ob die Leute sich zu Hause genauso benahmen wie bei uns im Hotel. Manche hinterließen einen unvorstellbaren Saustall! Leider wurde unsere Mühe nicht belohnt, es gab viel weniger Trinkgeld als im Restaurant. Über Trinkgeld freute ich mich sehr – nicht nur, weil ich auf bequeme schwarze Schuhe sparte. Es galt mir als Bestätigung dafür, dass ich meinen Job gut machte und die Gäste sich wohl fühlten.
    Zum Schlosshotel gehörte ein Partyservice, und gelegentlich wurden wir zu Events abkommandiert. Das machte mir großen Spaß, wenn ich auch manchmal nicht wusste, wie ich das alles schaffen sollte. Hin und wieder half Andi als Nebenjob in der Hotelküche aus. Das war besonders schön für mich, weil er mir den Rücken stärkte. Bei einer Veranstaltung in der Stadthalle wurde ich zuerst für die Sektbar eingeteilt und eingewiesen. Dann wurde ich plötzlich ganz dringend an die Hauptbar beordert.
    Als ich die superlange Theke sah, die kein Ende zu nehmen schien, wurde mir ganz flau. Niemand war da, der mir irgendetwas erklärt hätte, und alle Leute wollten gleichzeitig etwas zu trinken. Eine Kollegin drückte mir eine Liste mit Cocktailnamen und Preisen in die Hand. Da rief mir schon der erste Gast »Campari Orange!« zu. Am Ende des Abends kannte ich alle Getränke und Preise auswendig und war nur so hin- und hergeflitzt hinter der Theke.

    Eines Tages kam ein Brief vom Jugendamt wegen ausstehender Alimente. Andi wurde aufgefordert mitzuteilen, was er verdiente. Falls er in einer Partnerschaft lebte, sollte er das Einkommen seiner Partnerin ebenfalls angeben.
    »Was wollen die von mir? Das geht die nichts an! Ich habe mit deinem Kind nichts zu tun!«
    Ich hatte das Kind natürlich nicht vergessen, bloß verdrängt. Obwohl ich überhaupt nichts gegen dieses kleine Wesen hatte, quälte mich der Gedanke, dass Andi bereits hatte, was ich mir wünschte. Mit einer anderen Frau. Doch er kümmerte sich nicht wirklich um sein Kind. Das war mir gleichzeitig recht und tat mir leid, weil jedes Kind eine Verbindung zu seinem Papa haben sollte. Andi litt gelegentlich darunter, dass er kaum

Weitere Kostenlose Bücher