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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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nie ein Thema bei meiner Arbeit war.
    »Soll ich mir vielleicht ein Schild umhängen?«, fragte ich Markus.
    Er grinste: »Beim nächsten Mal sagst du: Es geschah in Afrika am Kongosawamumba-Delta, als das Krokodil auf mich zugaloppierte.«
    Vor Lachen konnte ich kaum antworten: »Krokodile galoppieren nicht!«
    »Dann war es ein als Krokodil verkleideter Löwe?«
    »Nein, ich bin beim einhändigen Drachenflug über den Kilimandscharo abgestürzt und …«
    »Wo liegt der überhaupt?«
    »Afrika?«
    »Ja genau!«, rief Markus. »Du bist direkt vor die Füße des Krokodils gefallen.«
    Wir erfanden noch eine Reihe von Abenteuergeschichten, die ich selbstverständlich alle für mich behalte. Echte Heldinnen erkennt man daran, dass sie nicht mit ihren Taten protzen!

    Meine Kolleginnen und Kollegen schrieben ihre Stunden auf. Wer in der geteilten Schicht arbeitete, machte pro Tag mindestens eine bezahlte Überstunde. Ich fand es ungerecht, dass meine Überstunden ignoriert wurden. Denn ich bekam meinen Lohn vom Arbeitsamt und wurde nicht nach Stunden bezahlt wie die anderen. Das Hotel legte nur wenig drauf und sah auch keine Veranlassung, das zu ändern, als ich meinen Chef darauf ansprach. Ich machte meinen Job sehr gut, die Gäste sparten nicht mit Lob, ich leistete viel – und erhielt weder Anerkennung noch korrekte Bezahlung. Hier würde ich nicht alt werden, und das tat mir leid. Ich mochte den Umgang mit den Gästen sehr. Doch für dumm wollte ich mich nicht verkaufen lassen.
    Am besten gefiel es mir, wenn es richtig rundging, zum Beispiel bei Doppelbelegungen oder Veranstaltungen im Restaurant. Je mehr Trubel, desto besser. Nur her mit den Problemen – ich löste sie alle. Einmal fand eine Aufsichtsratssitzung statt, und einer der Vorstände wollte mich unbedingt abwerben. Solche Begebenheiten beflügelten mich. Ich flirtete noch immer gern und hatte im Hotel reichlich Gelegenheit dazu. Ein Postbote schenkte mir einen Schlüsselanhänger. Ein Koch konnte gar nicht genug von mir kriegen und bekam dann Ärger, weil er in die Küche gehörte, nicht an die Rezeption.
    »Ich lasse mich hier nur inspirieren«, antwortete er schlagfertig.
    Wenn ich nach der Schicht heimfuhr, fühlte ich mich, als lebte ich in zwei Welten. Das kunterbunte hektische Hotelleben und das beschauliche Wohnungsleben. Letzteres wurde für mich zunehmend zum Gefängnis, denn so schön die Wohnung auch war: Ich war gefangen. Die Rampe vor der Tür war steil. Das erschwerte meine Selbständigkeit. Wieder mal wurde ich behindert. Ein Fußgänger kann sich das so vorstellen, als lägen vor seinem Haus einige riesige Baumstämme, und jedes Mal, wenn er rein oder raus will, muss er über die drüberklettern. Da überlegt man es sich zweimal, ob man das Haus wirklich verlassen will.
    Bei mir war es mit dem Klettern nicht getan. Ich musste den Rollstuhl ins Auto einladen. Ein Kraftakt. Und wieder ausladen, wenn ich irgendwohin fuhr. Und dann noch mal ein- und ausladen. So blieb ich zu Hause auf der Couch. Markus störte das nicht. Es war ohnehin sein Lieblingsplatz. Aber mich störte es. Ich wäre gern unternehmungslustiger gewesen, auch ohne seine Hilfe. Ich hätte so gern. Ich wäre so gern. Die Umstände waren gegen mich, ich war von Hindernissen umzingelt. Ich selbst war Ines mit allem, was dazugehörte. Aber an mir hing dieser Rollstuhl, und der hatte seine eigenen Regeln, und wenn ihm was nicht passte, wenn er wo nicht durch- oder reinpasste, dann war das Spiel für Ines aus.

    Mein Herzenswunsch war ein eigenes, rollstuhlgerechtes Haus. Ein Haus, das mir meine Selbständigkeit zurückgeben würde. Ich wünschte mir auch einen Lift für den Rollstuhl, einen sogenannten Ladeboy, damit ich ihn nicht mehr ins Auto heben musste. Bei meinem nächsten Autoumbau würde ich mir diese Technik installieren lassen. Ein weiterer großer Wunsch betraf den Swiss-Trac, eine elektrische Zugmaschine, die ich vor den Rollstuhl spannen könnte. Und vielleicht noch ein Handbike. Sonst noch was? Ach, wie viel hätte ich früher gewusst. Doch mit meiner eingeschränkten Mobilität hatte ich auch viele kleine Wünsche verloren. Stöckelschuhe? Wozu? Klamotten? Ja gerne, aber eben nicht mehr alle. Miniröcke? Undenkbar! Viel zu unpraktisch, ich müsste ja dauernd dran ziehen, damit nicht zu viel sichtbar wird.
    Meine jetzigen Wünsche waren gering in der Zahl und teuer in der Anschaffung – unerschwinglich für mich. Die Krankenkasse zahlte nur die Basics –

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