Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
nicht, wie wir auf das Thema Heiraten kamen, vielleicht handelte der Film davon, jedenfalls meinte er oder ich: »Man könnte ja mal heiraten.«
Und er oder ich erwiderte: »Ja. Könnte man.«
»Wo wir eh schon zusammenwohnen.«
»Stimmt.«
»Auch wegen der Hunde.«
»Wieso denn das?«
»Rudelbildung und so.«
Da fiel mir das Telefonat mit meiner Mutter ein, und ich fragte sie noch einmal nach der Kapelle. Sie schickte Fotos und kümmerte sich dann vor Ort um die Organisation der Hochzeit, die ein halbes Jahr später stattfinden sollte. Viel Geld hatten wir nicht, aber viele Ideen. Mein Hochzeitskleid ersteigerte ich bei eBay. Alle Vorbereitungen klappten trotz der weiten Entfernung reibungslos. Sollte so was möglich sein, eine Hochzeit ohne Pannen? Nein, natürlich nicht. Am Tag vor der Trauung platzte an meinem Rollstuhl ein Reifen, und so gab es doch noch die dazugehörige Aufregung. Ein sehr netter Mitarbeiter eines Sanitätshauses half: »Damit ein geplatzter Reifen nicht mit einer geplatzten Hochzeit endet!«
Nein, sie fand statt, am 7. September 2002, und dieser Tag war einer der glücklichsten meines Lebens im Kreis meiner Familie, Freundinnen und Freunde. Alle waren sie da, und auch das Wetter spielte mit. Ganz klassisch, wie es sich gehört, schlief ich die Nacht vor der Trauung bei meinen Eltern. Früh am Morgen kam die Friseurin, die mich auch schminkte. Dann fuhren meine Eltern mich zu der Kapelle an der ehemaligen Grube, wo Markus mit einem Brautstrauß in Herzform aus Rosen auf mich wartete. Nach der standesamtlichen Trauung ging es im Konvoi und kräftig hupend zum Hotel Silberhof in Freiberg, wo wir wunderbar verköstigt wurden. Alles war genauso schön, wie ich es mir als Kind vorgestellt hatte. Auf den Fotos sehe ich mindestens so glücklich aus, wie ich mich fühlte. Es sind alles Hochzeitsbilder ohne Rollstuhl, das hatte ich mir gewünscht. So verwirklichte ich meine Träume von früher doch noch. Ich bin auf den Bildern eine ganz normale Braut, und natürlich legte ich Wert darauf, mein Tattoo ins rechte Licht zu rücken!
Eine ganz normale, glückliche Braut.
Männer sind anders. Frauen auch.
Eines Abends, als Markus wieder mal unseren Riesenfernseher einschaltete, dachte ich: »Jetzt sind wir ein richtiges Ehepaar. Ehepaare sehen abends fern.« Da senkte sich eine seltsame Stimmung wie ein goldener Käfig über mich. In dem saß ich ja noch immer, auch wenn ich jetzt nicht mehr Ines Korb, sondern Ines Kiefer hieß. Den Käfig hatte ich mitgenommen. Obwohl mir klar war, dass es einzig und allein an mir lag, die Tür zu öffnen, schaffte ich es nicht. Und Markus schaffte es nicht, mit dem Rauchen aufzuhören, obwohl er es mir oft versprach und sogar behauptete, er habe aufgehört. Am meisten ärgerte ich mich, wenn ich ihn behandelte wie ein ungezogenes Kind. Das passierte ganz schnell. Und dann bockte er. Sagte keinen Ton mehr.
Seitdem ich in der Schule eindrucksvoll gelernt habe, wie schädlich das Rauchen ist, macht es mich verrückt, wenn Menschen, die ich liebe, rauchen. So war das schon bei meinem Vater gewesen. Als Kind flehte ich ihn an, mit dem Rauchen aufzuhören.
»Also gut«, sagte er eines Tages beim Umgraben im Schrebergarten, nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, warf sie in ein Erdloch und schaufelte es zu. »Hiermit habe ich die Raucherei begraben.«
Überglücklich sprang ich um ihn herum. Leider konnte er sein Versprechen damals noch nicht halten – genau wie Markus, und obwohl ich wusste, dass er das nicht aus böser Absicht tat, ärgerte ich mich darüber. Im Nachhinein glaube ich, dass ich Markus oft überforderte und wir im Alltag überhaupt nicht zusammenpassten. Es beruhigte mich aber, dass meine Beziehungsprobleme sich nicht von denen anderer Frauen unterschieden. Wir scheiterten an den Klassikern. Er kochte beispielsweise sehr gern – und danach sah die Küche wie ein Schlachtfeld aus. Unsere Differenzen hatten nichts mit dem Rollstuhl zu tun. Wir waren einfach zu verschieden.
Trotzdem war es eine schöne Zeit. Als junges Ehepaar waren wir noch immer sehr ineinander verliebt und unternahmen an einigen Wochenenden wunderbare Ausflüge. Manchmal fuhren wir auf Hundeausstellungen und blieben übers Wochenende. In dem Chrysler Voyager, den ich vom ersten Vorschuss der Versicherung zu Markus’ großer Freude kaufte, hatten wir genug Platz, und Marcky und Sita waren begeistert, wenn das Rudel eng zusammenrückte. Diese Abenteuertrips liebte
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