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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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fix und fertig. Ich wollte die Neuanschaffung sofort umtauschen. Markus brachte um acht Uhr morgens mit rotem Gesicht – das kam selbstverständlich nicht von der Matratze – in Erfahrung, dass der Monteur zu heißes Wasser eingefüllt hatte.
    Dieses Versehen sorgte am selben Vormittag bei einer kleinen Feier im Kreis meiner Kollegen für Heiterkeit. Eine Kollegin gab Fleischkäsewecken aus. Ich griff beherzt zu, dann wurde mir übel und noch übler und kotzübel. Auf der Toilette im Ministerium musste ich mich übergeben. Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich aber an den schlimmsten Brechdurchfall meines Lebens. Ich war zu schwach zu allem und behielt nichts bei mir. Spät abends brachte Markus mich in die Uniklinik, und wir erfuhren, dass ein aggressiver Darmvirus die Runde machte. Da ich bereits im fünften Monat war, sollte ich zur Beobachtung in der Klinik bleiben.
    Die Ärzte hätten mich gern noch länger behalten, doch am übernächsten Tag war Weihnachten, und so durfte ich heim. Ich war sehr froh – und dann fassungslos. Zu Hause sah es genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Neben dem Bett stand meine Teetasse, auf dem Boden lagen die Taschentücher, in der Spüle gammelte Geschirr. Markus bemerkte meine entsetzten Blicke.
    »Ich hatte keine Zeit, ich musste ja die Hunde Gassi führen.«
    Ich holte Luft, um etwas zu erwidern, als das Telefon klingelte. Mein Vater wollte wissen, wie es mir gehe, und bekam meinen Ärger ab. Er murmelte etwas wie »typisch schwanger« und wurde so zu einem armen Würstchen, das zwischen zwei Semmelhälften steckte, denn nun bekam er auch Ärger mit meiner Mutter.
    »Was soll denn das heißen, typisch schwanger!«, hörte ich sie rufen und fiel sofort ein: »Ja genau, was soll das heißen?«
    Mein Vater sagte gar nichts mehr, meine Mutter und ich verstanden uns blind: »Auch wenn du nicht schwanger wärst, hätte er aufräumen können! Was ist denn schon dabei! Wieso soll das alles auf dir lasten? Du bist berufstätig!«
    »Markus auch«, nahm ich ihn in Schutz, denn er stand zerknirscht vor mir, einen Truthahn auf dem Tablett, und signalisierte, dass er den zur Buße ganz allein zubereiten würde.

    Im neuen Jahr 2005 arbeitete ich nur noch im Januar. Eigentlich hätte ich länger arbeiten wollen, doch bei einem Termin in der Uniklinik unterhielt sich ein Arzt nach der Routineuntersuchung ausführlich mit mir. Er wollte wissen, wie ich im Hinblick auf meine Behinderung mit der Schwangerschaft zurechtkäme, und ich erwiderte, dass ich keine Probleme hätte, nur der schwere Rollstuhl, den ich über mich drüber auf den Beifahrersitz hieven müsse, würde mich belasten. Der Arzt riss die Augen auf und dann einen gelben Zettel vom Block: »Um Himmels willen! Mit diesem Unsinn hören Sie sofort auf!«
    Meine Kollegen trugen meinen vorzeitigen Mutterschutz mit Fassung, mir tat es leid, dass ich sie nicht noch ein paar Wochen unterstützen konnte – mit mir fiel eine Ganztagskraft aus. Doch wider Erwarten vermisste ich meine Arbeit überhaupt nicht. Ich stürzte mich begeistert in den Nestbau, strich Schränke, bastelte Lampen und einen Storch, den Markus vor dem Haus aufstellte. Auf einmal blieb ich freiwillig und gern daheim und unterließ es strikt, den Rollstuhl zu heben. Im Nachhinein wundere ich mich, dass ich nicht selbst auf die Idee kam, das könne gefährlich sein. Ist doch eigentlich logisch. Aber vielleicht hatte ich mir so viele Gedanken über ungelegte Eier gemacht, dass ich keine Kapazitäten frei hatte für die naheliegenden Dinge.
    Die Schwangerschaft verlief ohne Beschwerden, einzig Wassereinlagerungen in meinem rechten Handgelenk bremsten meinen Nestbautrieb manchmal. Ich fühlte mich körperlich absolut fit, doch ich wurde immer unbeweglicher, weil ich gnadenlos dick war. Sicher, das gehört bei einer Schwangerschaft dazu, doch im Sitzen sieht jeder Bauch doppelt dick aus, und ich war eine ständig sitzende Schwangere und meine Kugel riesig. Es kam mir vor, als würde nicht nur der Rollstuhl, sondern auch Ines rollen. Nachdem ich einen bestimmten Umfang überschritten hatte, ging es mir wieder besser, nun war ich eindeutig schwanger und nicht bloß fett.
    Markus und ich freuten uns beide sehr, sehr, sehr auf unseren Sohn, obwohl wir sicher gewesen waren, ein Mädchen zu bekommen. Ein Ultraschallbefund hatte uns diese Gewissheit geraubt – und da standen wir nun ohne Idee für einen Namen. Schöne Mädchennamen kannte ich mehr

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