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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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als genug. Da war lediglich die Auswahl schwierig. Aber schöne Jungennamen?
    »Uns fällt schon noch was ein«, meinte Markus.
    Es fiel uns aber nichts ein, zumindest nichts, was länger als fünf Minuten überzeugte.

    Zwei Wochen vor der Geburt blieb Markus zu Hause, um mir zu helfen – nicht nur im Haushalt, sondern auch auf der Toilette, vor allem beim Hose-Hochziehen, was inzwischen beschwerlich geworden war, und beim Übersetzen in den Duschstuhl. Eine Hebamme zeigte uns bei einem Hausbesuch an einer Puppe, wie wir das Baby wickeln sollten. Während ich mit feuchten Händen ziemlich nervös herumzitterte, wickelte Markus die Puppe mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen – als würde er täglich ein Dutzend Babys versorgen.
    »Das kenne ich von meiner kleinen Schwester«, erklärte er der verdutzten Hebamme.
    Sie zwinkerte mir zu: »Mit so einem Mann an der Seite kann nichts schiefgehen.«
    »Das will ich wohl meinen!«, tönte Markus selbstbewusst.
    Ich war nicht so zuversichtlich. Ich hatte noch nie ein Baby gewickelt. So ein zartes, kleines Wesen. Ich fühlte mich unsicher ohne praktische Erfahrung. Also musste ich das durch Theorie wettmachen und überlegte mir Strategien für jede Situation. Ich recherchierte viel im Internet, fand jedoch in den Foren für Rollstuhlfahrerinnen keine einzige werdende Mutter. Manche meiner mühsam erarbeiteten Theorien und Vorgehensweisen stellten sich später als nicht durchführbar heraus, und viele Probleme, für die ich Lösungen gefunden hatte, tauchten nie auf. Doch einige Situationen meisterte ich genau aus dem Grund, weil ich mir vorher überlegt hatte, wie ich vorgehen wollte.
    Zum Beispiel die Sache mit dem Wickeltisch. Handelsübliche Wickeltische bestehen aus einem Unterschrank mit Auflage. Wie sollte ich mit solch einer Konstruktion mein Kind versorgen? Ich bin keine Äffin und würde mit den Armen gar nicht an das Baby herankommen. Ich brauchte einen unterfahrbaren Wickeltisch. Markus’ Vater umzäunte unseren alten Esszimmertisch mit einem schönen Holzgeländer, passte die Wickelauflage an – und fertig war mein Wickeltisch.
    Wo sollte sich das Kind tagsüber aufhalten? Wir liehen uns einen Kinderwagen von Nachbarn.
    Wie beschützen wir das Kind vor allzu liebevollen Hundezungen? Ich besorgte einen Laufstall mit verstellbarem Unterteil. Das war ohnehin Bedingung, da ich mein Kind ja nicht vom Boden würde hochheben können.
    Nun brauchte ich nur noch ein unterfahrbares Bett. Solche sogenannten Kinderpflegebetten gibt es, wie ich im Internet recherchierte, für kranke Kinder. Telefonisch und per Mail lernte ich in kürzester Zeit ein Dutzend Sachbearbeiter bei meiner Krankenkasse und in Ämtern kennen und bekam überall die gleiche Auskunft: Nur ein behindertes Kind habe Anspruch auf ein Kinderpflegebett, eine behinderte Mutter nicht.
    »Und wie soll ich mein Kind versorgen, wenn ich es nicht hochheben kann, wenn ich darauf angewiesen bin, mit dem Rollstuhl unter sein Bett zu fahren, um es aufnehmen zu können?«, fragte ich. Niemand beantwortete mir das. So musste ich meinen Nestbau unterbrechen, um in einen Papierkrieg zu ziehen. Ich argumentierte mit meiner elterlichen Versorgungspflicht dem Kind gegenüber, die ich ohne das Bett nicht würde erfüllen können. Eine Sachbearbeiterin fragte mich, ob ich mich prinzipiell überhaupt in der Lage sehe, das Kind zu versorgen. Als würde ich mir darüber nicht selbst Tag und Nacht Gedanken machen.
    Im Sanitätshaus meines Vertrauens entdeckte ich schließlich ein solches Kinderpflegebett und unterfuhr es mal probehalber. Prima! Genau so etwas brauchte ich. Ein netter Mitarbeiter legte eine große Puppe in das Bett, die ich problemlos heraushob. Dieses Bett musste ich haben.
    »Wie viel kostet es?«, erkundigte ich mich.
    »Um die zweitausend Euro.«
    In dieser Frage hätte ich es auf einen Prozess ankommen lassen, denn die Unterscheidung zwischen behindertem Kind und behinderter Mutter ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich hätte gern einen Präzedenzfall für andere Rollstuhlfahrerinnen geschaffen. Doch dann bekam ich den Bescheid, dass mir ein gebrauchtes Bett kostenfrei überlassen würde. Ich sollte lediglich die Reinigungs- und Aufbereitungskosten sowie eine neue Matratze bezahlen, rund 500 Euro. Als das elektrisch höhenverstellbare Bett geliefert wurde – witzigerweise war es jenes, das ich im Sanitätshaus meines Vertrauens »Probe gefahren« hatte –, sah es aus wie neu und erfüllte

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