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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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her. Ich verschob Wände, klebte, puzzelte und diskutierte mit Kollegen über Details – alles unmittelbar vor meiner Schwangerschaft. So entstand nach und nach mein Haus, maßgeschneidert auf meine Bedürfnisse.
    Das Planen machte mir große Freude. Welche Wege im Haus mussten kurz, welche durften länger sein? Die Türklinken würden tiefer angebracht werden als gewöhnlich. Die Fenster sollten höher beginnen, um sie vor neugierigen Hundenasen zu schützen, und dennoch so tief, dass ich rausschauen kann. Selbstverständlich würde der Rollstuhl überall viel Platz haben. Ich plante breite Türen und Flure, damit ich mich drehen und ohne Rangieren an jemandem vorbeikommen kann. Ein komfortables Bad war mir ebenfalls wichtig, mit zwei unterfahrbaren Waschbecken, einer große Dusche und einer riesengroßen Badewanne zum Genießen und Plantschen.
    Die Küchenplanung hätte ich gern Profis überlassen, doch als ich in einem Küchenstudio nach einer unterfahrbaren Spüle und einem ebensolchen Herd fragte und angestarrt wurde, als hätte ich mich nach einer frei im Raum schwebenden Feuerstelle erkundigt, beschloss ich, auch hier selbst zu ent- und verwerfen. Ich würde schließlich damit leben und wollte mich nicht mehr anstrengen und ärgern. Diesmal sollte alles perfekt sein. Und genauso wurde es: Mein Traumhaus, das ich dank des Vergleichs schuldenfrei beziehen konnte. Allerdings konnten wir uns keine großen Sprünge erlauben und nicht von allem das Beste wählen, ich plante mit Bedacht.
    Wann immer ich Markus um Rat fragte, erwiderte er: »Du musst damit zurechtkommen.«
    »Ich will aber wissen, was du willst!«
    »Ich will, was du willst.«
    Am Anfang machte mich das schier verrückt, später fragte ich ihn einfach nicht mehr. Einmal wollte er auch etwas: Sämtliche Kabel für die Musikanlage, Boxen und den Beamer sollten unsichtbar unter Putz verlegt werden. Was das betraf, war Markus ein Ästhet. Gern erfüllte ich ihm diesen Wunsch. Ich selbst erfüllte mir den Wunsch nach einem Garten mit rundum verlegten Pflastersteinen, damit ich bequem um das ganze Haus fahren kann.

    Für einen ungeduldigen Menschen bedeutet ein Hausbau eine echte Herausforderung. Es war eine riesengroße Freude für mich, mein neues Daheim wachsen zu sehen. Heute noch versetzt mich Rohbaugeruch in Hochstimmung. Und in meinem Bauch wuchs auch etwas – was für ein unbeschreibliches Glücksgefühl! Die ersten Ultraschallfotos waren längst an die künftigen Groß- und Urgroßeltern verschickt. Markus und ich waren – wie es sich für junge Paare in anderen Umständen ziemt – Dauerkunden bei Ikea. Wir erlebten eine aufregende Zeit voller Vorfreude. Hin und wieder schnappte Markus sich den zweiten Rollstuhl, und wir rollten nebeneinander über die glatten Flure der Möbelhäuser. Das gefiel mir nach wie vor so gut an Markus, dass er keine Berührungsängste mit einem Rollstuhl hatte und sich auch gerne selber in einen setzte, besonders bei einer kilometerlangen Kassenschlange samstags bei Ikea. Wenn Markus ebenfalls per Rollstuhl unterwegs war, kam er wenigstens nicht auf die Idee, mich irgendwohin zu schieben. Männer und Frauen verfolgen bei Ikea naturgemäß verschiedene Fährten. Da ließ ich mir nur ungern in die Räder pfuschen!
    Einmal trafen wir einen alten Bekannten von Markus, der völlig verstört reagierte, da Markus nun auch im Rollstuhl saß – konnte das Schicksal so grausam sein –, und immer nur fassungslos den Kopf schüttelte.
    »Was ist dir denn passiert?«, fragte er betroffen.
    »Das war in Afrika«, begann ich. »Ein als Krokodil verkleideter Löwe ist auf ihn zugaloppiert und hat …«
    Markus stand auf.
    »Ein Wunder!«, kicherte ich übermütig.
    Markus hörte nie wieder von diesem Bekannten.

Nestbau
    Im November 2004, ich war im vierten Monat schwanger, zogen wir in mein Traumhaus, und ich merkte schnell, dass es mich, was das Putzen betraf, komplett überforderte. Ich verzichtete darauf, Markus um Unterstützung zu bitten. Mir war klar, dass das nicht klappen würde. Zum Glück fand ich eine wunderbare Reinigungskraft: Karin, die mir bis heute die Treue hält.
    Unsere wenigen Möbel verschwanden fast in den großen Räumen. Wenn es nach Markus gegangen wäre, hätten wir viel dazugekauft. Doch ich haushaltete sparsam mit dem Rest, der von der Versicherungssumme übrig geblieben war. Zu einem Wasserbett ließ ich mich überreden. Nach der ersten Nacht, in der ich schwitzte wie in einer Sauna, war ich

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