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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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schämte. Es gab nichts Schöneres auf der Welt, als den kleinen Tim anzuschauen – und zu stillen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl, für das ich einige Tage kämpfen musste, denn es klappte zu Beginn nicht, und mir wurde angedroht, dass man zufüttern müsste. Das wollte ich auf keinen Fall. Und schließlich schafften wir es ohne.
    Bis zum fünften Monat stillte ich Tim voll und bis zu seinem zehnten Monat nachts. Diese Momente erlebte ich als reines Glück. Ich kann mir keine innigere Beziehung zu einem Menschen vorstellen. Überhaupt hätte ich es nicht für möglich gehalten, derartige Gefühle einem anderen Menschen gegenüber zu empfinden. Ich würde mein Leben geben für meine Kinder. Das Muttergefühl ist das intensivste Gefühl meines Daseins, und das haute mich glatt um. Auf einmal war alles anders. Vor Glück und Dankbarkeit wusste ich nicht, wohin mit mir. Vielleicht fiel mein Babyblues deshalb so klein aus. Am zweiten oder dritten Tag im Krankenhaus rollte ich ins Bad, Markus und Tim blieben im Zimmer. Vor dem Waschbecken überkam es mich, und ich musste fürchterlich weinen.
    »Was ist denn los?«, fragte Markus besorgt.
    »Ich weiß es nicht. Ich will das nicht. Aber ich kann es nicht stoppen.«
    So einen Anfall erlitt ich am nächsten Tag noch einmal, dann war der Babyblues verklungen.
    Im Krankenhaus lag Tim in einem Bettchen auf Rollen neben meinem Bett. Wenn ich ihn auf meinen Bauch legen wollte, musste ich nach der Schwester klingeln; ohne Hilfe konnte ich ihn nicht aufnehmen, da ich drei Hände gebraucht hätte. Zwei für das Baby und eine, um mich zu stabilisieren. Eine nette Krankenschwester übte mit mir, Tim seitlich so aufzunehmen, dass sein Köpfchen Halt in meiner Armbeuge oder an meiner Schulter fand. Diese Kleinigkeit versetzte mir einen Riesenschreck – ich scheiterte bereits daran, mein Kind aufzunehmen.
    »Zu Hause bist du viel besser ausgerüstet«, tröstete Markus mich. »Da hast du das Spezialbett.«
    »Das wird schon«, nickte ich in gespielter Zuversicht. Innerlich fühlte ich mich völlig überfordert und manchmal auch verzweifelt. Wie sollte ich das alles schaffen?
    Das Wickeln überließ ich im Krankenhaus den Schwestern oder Markus, denn mit dem dortigen Wickeltisch kam ich nicht zurecht. Um die Hunde auf den Neuzugang einzustimmen, steckte Markus eine volle Windel von Tim in eine Plastiktüte und legte sie Sita und Marcky vor: Geruchskontrolle. Als er mich nach fünf Tagen Klinik nach Hause holte, stellten wir den Tragekorb mit Tim in den Flur und ließen die Hunde erst mal schnuppern. Sie fanden Tim lange nicht so toll wie wir und widmeten sich für sie interessanteren Dingen wie Markus’ Schuhen.

Baby an Bord
    Auf einmal waren wir allein mit dem Baby. Komisches Gefühl. Keine Schwestern mehr da, die wir fragen konnten. Kaum lag Tim in seinem Bett, weinte er und hörte nicht mehr auf. Verzweifelt riefen wir die Hebamme an. Sie stellte einige Fragen und gab uns dann den Tipp, sein vielleicht zu großes Bett kuscheliger zu gestalten: »Babys haben es gern eng um sich.« Genauso war es.
    Markus und ich verabredeten, dass ich Tim nachts stillen würde, das Wickeln sollte er übernehmen. In der ersten Nacht zu Hause weckte ich Markus, als ich meinen Teil unserer Vereinbarung erfüllt hatte. Ich musste ihn ziemlich lange rütteln, »Kind!«, ehe er murrend und mit geschlossenen Augen die Hände ausstreckte.
    »Augen auf!«
    Das dauerte wieder Ewigkeiten, und genauso lief es in der nächsten und übernächsten Nacht. Markus’ Strategie war von Erfolg gekrönt. Nach nicht mal einer Woche übernahm ich auch das nächtliche Wickeln. Anstatt aufzustehen holte ich mir alles, was ich dazu brauchte, ins Bett. Eine wasserdichte Unterlage, eine saubere Windel, die Plastiktüte für die schmutzige Windel, Feuchttücher, Creme. Unser Bett war groß genug, um all das in eine Ecke zu schieben und bei Bedarf auszubreiten. So funktionierte es wunderbar. Ich machte das gern, und Markus, der ja arbeiten musste, konnte weiterschlafen.

    In der ersten Zeit hatten wir viel Besuch. Alle wollten das Baby sehen. Erst nach und nach wurde es ruhiger. Markus ging zur Arbeit, und ich war allein mit Tim. Jeder Tag stellte mich vor neue Herausforderungen. Als er noch so winzig klein war, hatte ich große Probleme, Tim zu transportieren. Ich konnte ihn nicht vor mir halten, sonst hätte ich den Rollstuhl nicht bewegen können, da fehlte mir nicht nur eine dritte, sondern auch eine vierte Hand. Ich

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