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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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Müll ist voll.«
    »Markus, der Müll ist immer noch voll.«
    »Markus, der Müll quillt über.«
    Irgendwann schaffte ich den Müll raus. Es wäre eine Illusion zu glauben, Markus hätte das bemerkt. Ihm fiel weder der volle noch der geleerte Eimer auf. In mir brodelte es. Ich verlangte keine großartigen Anstrengungen von ihm. Es ging nicht darum, das Haus neu zu streichen oder eine Laube zu zimmern. Es handelte sich um zehn Schritte, die er nicht für unsere Familie zu leisten bereit war. Das kapierte ich nicht, so etwas kannte ich nicht. Mein Vater half immer im Haushalt mit. Man war doch ein Team und hielt zusammen! Da brauchte man doch nicht diskutieren! Markus belehrte mich eines Schlechteren.
    Zwei, drei Mal hielt ich das Experiment durch, ihm nicht hinterherzuräumen. Ein einziges Wochenende genügte, um das Haus in einen Schweinestall zu verwandeln. Wo Markus sich aufgehalten hatte, standen Kaffeetassen, manche voll, weil er vergessen hatte zu trinken, andere halb voll oder leer. Oft war der Kaffee übergeschwappt. Wenn er eine Schere brauchte, ließ er sie danach liegen, er ließ überhaupt alles stehen und liegen, die Dinge schienen ihm einfach aus der Hand zu gleiten. Markus trug das Geschirr irgendwohin, und da blieb es dann. Er kam nicht im Traum auf die Idee, etwas an seinen Platz zurückzubringen. Wenn er sich ein Nutellabrot schmierte, blieb das offene Nutellaglas mit dem schokoverschmierten Messer liegen. Tagelang. Manche Fliege freute sich darüber. Und wehe, ich wagte es, ihn darauf hinzuweisen. Das nervte ihn total.
    Überhaupt war er oft genervt und gereizt. Wir lebten in so einer schönen Umgebung unter optimalen Bedingungen – warum würdigte er das nicht? Manchmal dachte ich an die Zeit mit Andi zurück. Mit ihm hatte ich wegen unserer unterschiedlichen Auffassungen über Ordnung auch öfter Auseinandersetzungen gehabt. Doch Andi bekam dann keinen Anfall wie Markus, der entweder gar nichts oder wenig sagte oder jähzornig explodierte, wenn etwas nicht so klappte, wie er wollte.
    »Hab doch mal ein bisschen Geduld«, bat ich ihn und musste an guten Tagen innerlich grinsen. Denn an Geduld mangelte es mir ja auch – allerdings nicht bei der Arbeit. Ich kann ewig Herumfummeln und etwas immer wieder versuchen. Ich kann bloß nicht gut warten. Das wiederum gelang Markus fantastisch, und zwar mit Hilfe des Fernsehers. Er schaltete den Apparat ein und seine Umgebung aus. Weg war er. Wehe, ich erdreistete mich, ihn an den Rasen zu erinnern!
    So fand ich mich in der Rolle der ewig meckernden Ehefrau. Das fühlte sich scheußlich an. Heute glaube ich, dass unsere Beziehung länger gehalten hätte, wenn wir nicht Eltern geworden wären. Ohne Verantwortung für Tim und das Haus kamen wir prima zurecht. Wir waren ein gutes Team, solange es wenig Verpflichtungen gab. Kein Kind, auf dessen Bedürfnisse man achten musste, mit dem man rausgehen und spielen musste, keine zwei Hunde, die Gassi geführt werden wollten, kein Garten inklusive Rasen.

    Manchmal fühlte ich mich nun sehr allein, denn die Verantwortung ruhte auf meinen Schultern – und Markus behandelte mich wie einen Störfaktor, der ihn an der Ausübung seiner geruhsamen Freizeit hinderte. Markus hatte sich durch seine Vaterschaft kaum verändert und empfand meine Vorschläge als Angriffe auf seine Bequemlichkeit. Ich hatte mich sehr verändert. Wir waren nun Eltern, und ich legte Wert auf andere Lebensgewohnheiten. Ich wollte nicht mehr auf der Couch lümmeln und beim Fernsehen irgendetwas essen. Ich bestand darauf, dass die Familie die Mahlzeiten am Esstisch einnimmt – ohne Fernseher –, diese Stabilität und Struktur wollte ich meinem Kind mitgeben. Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Markus protestierte, ich setzte mich durch. Manchmal kam ich mir vor wie meine eigene Mutter, schob den Gedanken dann aber schnell weg. Meine Eltern hatten niemals beim Essen auf dem Sofa gelungert, ferngesehen und gekrümelt.
    Ich hatte den Eindruck, mich durch die Mutterrolle weiterentwickelt zu haben. Markus war stehengeblieben. Das Kind hatte er zwar gewollt, doch die damit einhergehenden Veränderungen überforderten ihn. Ich konnte nicht mehr über unsere Verschiedenheit hinwegsehen. Ohne Tim war sie leicht zu überbrücken gewesen. Nun entwickelten wir uns in unterschiedliche Richtungen. Manches konnte ich ausbalancieren, anderes schmälerte meine Gefühle für Markus. Dazu gehörte, dass er sich nicht so für Tim interessierte, wie ich mir das

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