DAS GLÜCK IM AUGENWINKEL: Roman (German Edition)
Claudia. Das haben wir nicht abgemacht. Das hast du so beschlossen." Atemlos ließ sich Nita auf die Kante des Bettes fallen.
"Und du warst einverstanden, wenn ich dich daran erinnern darf." Sie holte ein weiteres Kleid aus dem Schrank und hielt beide nebeneinander. "Was meinst du, das rote oder das schwarze für die Silvesterparty?"
"Ich bin nicht gekommen, um mit dir über Partys zu reden. Ich will das Tagebuch. Jetzt!"
Claudia seufzte, hängte die Bügel mit den Kleidern an die Kante des Schranks und setzte sich neben Nita aufs Bett.
"Nun sag schon, Kleine." Sie legte den Arm um sie. "Was ist los? Du warst doch neulich noch so sicher, dass du meine Idee gut findest. Dass es das Beste für dich ist, ein wenig Abstand zu Patrick zu gewinnen. Das Leben wieder mit neuen Augen zu sehen."
"Wenn ich das schon höre, Abstand von Patrick." Nita wurde lauter. "Ich will keinen Abstand zu ihm. Wann wirst du das endlich begreifen?"
"Okay, okay. Verzeih mir meine unglückliche Wortwahl. Ich meinte nicht Abstand zu Patrick, sondern Abstand zu dem Leben, in dem es nichts anderes als ihn für dich gibt. Und genau deshalb hielt ich es für richtig, dass ich das Tagebuch für dich aufbewahre. Dass du ihm eine Weile nicht schreibst, bis du endlich gelernt hast, dich wieder ein bisschen mehr auf dich selbst zu konzentrieren."
Nita seufzte. Sie kannte die Versuche ihrer Freundin zur Genüge. Immer wieder hatte Claudia ihr einzureden versucht, wie wichtig es sei, sich auf ein neues Leben einzulassen, den Blick auf neue Dinge zu schärfen. Und sicher hatte sie recht. Auch wenn sie manchmal seltsame Wege ging, um dies unter Beweis zu stellen.
"Du verstehst das nicht", sagte Nita. "Ich muss etwas nachlesen. Etwas überprüfen."
"Und was soll das bitte sein?"
Nita schwieg.
"Nun sag schon."
"Ich habe einen Mann getroffen", fuhr Nita schließlich fort. "Einen Mann namens Simon."
"Oh, du meinst den Typen aus der Annonce?"
"Ganz genau den. Ja."
"Und? Erzähl schon. Was wollte er?" Claudias Neugier war unverkennbar.
"Er ist einer der Angehörigen des Amoklaufs. Deshalb wollte er mich kennenlernen, mit mir reden."
"Oh." Claudia nahm den Arm von Nitas Schulter und ließ ihn auf das Bett sinken. "Das ist … das kommt ja dann doch recht überraschend."
"Überraschend, was du nicht sagst. Dann hättest du mal beim Treffen dabei sein sollen. Das war durchaus sehr überraschend."
"Wie meinst du das?"
Nita stand auf, ging vor Claudia in die Hocke und legte die Hände auf ihren Schoß. "Bitte denk jetzt ganz genau nach, Claudia. Hast du das Tagebuch irgendwem gezeigt, seitdem ich es dir gegeben habe?"
"Nein, natürlich nicht. Was denkst denn du?"
"Dieser Mann hat Dinge von sich gegeben, die er nur wissen kann, wenn er das Tagebuch gelesen hat."
"Aber ich kenne ihn doch gar nicht. Warum sollte ich ihm dein Tagebuch zum Lesen geben? Außerdem lag es die ganze Zeit unter meinem … Oh verstehe, das ist ein Versuch, mir das Versteck des Buchs zu entlocken, richtig?" Sie lächelte aufgeklärt. "Tut mir leid, Nita. Aber du wirst es schon aus mir herausprügeln müssen."
"Du verstehst einfach nicht, worum es geht. Er hat behauptet, dass er durch ein Buch, das er auf dem Nachtschrank seiner verstorbenen Frau gefunden hat, mit meinen Briefen an Patrick verbunden war. Dass täglich einer meiner Briefe auf einer Seite in seinem Buch erschienen ist. Und dass er deshalb all diese Dinge über mich weiß und mich so dringend treffen wollte."
Eine Weile schaute Claudia sie schweigend an. Keine Regung. Keine Antwort. Dann begann sie zu lächeln. Ein Lächeln, das langsam zum Lachen wurde.
"Wunderbar", rief sie. "Einfach wunderbar!"
"Wunderbar?" Nita nahm die Hände von Claudia und fuhr verwirrt in die Höhe. "Was soll das heißen, wunderbar ?"
"Wie sieht er aus?"
"Soll das ein Witz sein?"
"Nun sag schon, wie sieht er aus? Gefällt er dir? Was für einen Job hat er?"
"Er sieht ganz nett aus, aber das spielt überhaupt keine Rolle. Tatsache ist, dass -"
"Ganz nett?" Claudia fiel ihr ins Wort. "Nun, ganz nett ist immer noch besser als unattraktiv."
"Was soll der Blödsinn? Ich versuche, dir zu erklären, dass ich mich auf ein Treffen mit diesem Mann eingelassen habe, weil ich dachte, dass wir uns dabei helfen könnten, unseren Verlust zu verarbeiten. Und alles, was er getan hat, ist, mich aufs Glatteis zu führen. Noch dazu auf geschmacklose und absolut widerwärtige Art und Weise."
"Findest du nicht, dass du übertreibst?"
"Warst du bei
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