Das Glück ist eine Katze
erschöpft und hab mich ein bißchen hingelegt. In sein Bett. Da ist viel Platz. Unten im Bett sind Socken.«
»Die hab ich ihm geschenkt. Weil er so oft kalte Füße hat.«
»Drum war er ja auch hinter den Katerstiefeln her. Die sind innen nämlich schön warm. Seine nicht. Oben friert er bestimmt
auch. Weil er ja nur noch ein paar erschütterte Haare hat. Ich hab ihm einen Floh dagelassen. Damit er sich freut.« Meine
Katze sah mich mit großen Augen und vorgestellten Ohren erwartungsvoll an. »Erzähl noch was. Von einer Katz und einem Kater.«
»Also«, sagte ich, »der Kater –«
»Falsch!« sagte Schlumpel. »Es war einmal. So fängt’s an.«
»Es war einmal ein Kater, der war sehr befreundet mit einer Katze.«
»Wie sehr?«
»Innig«, sagte ich.
»Sag, wie die Katz aussieht!«
|133| »Roter Pelz, grüne Augen. Hinten Rutschsocken.«
»Und der Kater?«
»Schwarz. Abends hockten sie oft nebeneinander und betrachteten den Mond.«
»War er satt, oder hat er Hunger gehabt?«
»Der Kater?«
»Der Mond.«
»Der Mond war satt, und daher rund und schön.«
»Wie ich«, sagte Schlumpel zufrieden.
»Und während der Mondbetrachtung wurde den beiden Katzen so, ja wie wurde ihnen denn?«
»Innig«, sagte Schlumpel. »Und gelb. Also inniggelb. Ist doch klar.«
»Mondklar«, sagte ich. »Und sie sangen das Lied vom Mond, der aufgegangen.«
»Sing mal!« befahl Schlumpel, und ich sang ihr das ganze Lied vor. Ich weiß nämlich, im Gegensatz zu allen großen und kleinen
Leuten, die ich kenne, sämtliche Strophen dieses wunderschönen, allerdings, weil einem deutschen Dichter eingefallen, als
provinziell, unmodern und sehr unzeitgemäß geltenden Liedes. Hätte ein amerikanischer Dichter es auf amerikanisch gedichtet,
fänden die Leute es modern, zeitgemäß und global, womöglich sogar cool oder geil, und es wäre vermutlich in aller Munde. Das
wollte ich schon immer mal gesagt haben.
|134| »Weiter!« Schlumpel vergrößerte ihre Augen.
»Da kam ein Maler vorbei, der auch ein großer Mondbewunderer war, zudem ein Bewunderer von Katzen, weshalb er ein Bild von
den dreien malte: dem Mond, der Katze und dem Kater.«
Schlumpel verlangte, er solle den Mondbedichter dazumalen.
Nachdem das Bild noch um den Mondbedichter bereichert worden war – Herr Claudius lehnte sinnend an einem Baumstamm –, erzählte ich weiter: »Der Maler nannte das Bild ›Zwei Katzen und ein Dichter in Betrachtung des Mondes‹.«
»Und Bedichtung und Besingung«, sagte Schlumpel.
»Stimmt. Er nannte es also ›Zwei Katzen und ein Dichter in Betrachtung, Bedichtung und Besingung des Mondes‹.«
»Da fehlt was«, sagte Schlumpel. »Innig.«
»Also noch mal: ›Zwei Katzen und ein Dichter in inniger Betrachtung, Bedichtung und Besingung des Mondes‹. Ein sehr romantisches
Bild. Es hängt heute in einem berühmten Museum. Wenn es keiner geklaut hat, hängt es heut noch dort. Und jetzt wird geschlafen.«
Schlumpel streckte mir den Kopf hin. »Heut war mein allerschönster Lebenstag.«
Ich strich dreimal über ihre Nase, ganz leicht, |135| und die Schlumpelaugen fielen zu. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür.
»Was hat er denn gesehen?« fragte Schlumpel.
»Wer?«
»Der Mondmann. Der auf dem Mond wohnt. Der hat doch runtergeguckt.«
»Ewas sehr Schönes. Zwei Katzen sowie einen Dichter und einen Maler in Betrachtung, Bedichtung, Besingung und –«
»Und Bemalung des Mondes«, sagte Schlumpel. »Sehr innig.«
»So ist’s. Und dann sind alle ins Bett gegangen.«
»Der Mond auch?«
»Der legte sich auf eine dicke weiche Wolke und schlief in Nullkommanix ein.«
Ich lag im Bett, mummelte mich fest in die Decke und drehte das Gesicht dem Fenster zu. In der Birke hing ein dicker, satter,
runder Mond, er lachte mich an und sang, die ganze liebe lange Nacht hindurch. Ein wunderbares Lied. Sehr romantisch. Das
Lied von der Erde und von zwei Katzen.
Merk es dir gut, sagte ich zu mir, dann kannst du es morgen Schlumpel vorsingen, sie wird ihren Kopf an deiner Schulter reiben
und glücklich sagen, das sei ihr allerlebensschönstes Lied.
Aber am nächsten Morgen war das Lied ebenso weg wie der Mond.
|136| Komm, geliebte Katze!
Konrad schaute kurz vorbei und blieb ein paar Tage. Schlief morgens bis zehn, lag im musikalischen Sessel und hörte zu, wie
Clara Haskil, Vladimir Ashkenazy und Alfred Brendel nacheinander für ihn Köchelverzeichnis 271 spielten, worauf er ihnen sagte,
wer es am
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