Das Glück reicht immer für zwei
Gegenwart entspannter. Endlich hatten sie Frieden geschlossen, dachte sie erleichtert.
Der Fahrer schaltete einen Gang zurück, und der Motor ächzte, während er sich den Berg hinaufkämpfte. Britt bemühte sich, nicht nach unten zu blicken. Sie war ohnehin kurz davor, zu bereuen, sich auf einen Ausflug eingelassen zu haben, bei dem man über Hängebrücken durch den Regenwald wandern musste. Solange sie sich an etwas Solidem festhalten konnte, machte ihr die Höhe normalerweise nichts aus, doch eine Hängebrücke konnte
man wohl schwerlich als etwas Solides bezeichnen. Aber Mia – die bereits eine Urwald-Trekkingtour unternommen hatte – hatte ihr versichert, dass es kein Problem war. Absolut sicher, meinte sie, und die Brücken würden regelmäßig gewartet, also brauche sie sich keine Sorgen zu machen, dass ihr irgendwelche Indiana-Jones-Abenteuer bevorstünden.
Schließlich hielten die drei Busse, die in einem Konvoi fuhren, auf einem Parkplatz an (die Regenwaldwanderung war bislang bei Weitem der gefragteste Landausflug). Die Passagiere strömten auf den staubigen Platz hinaus und streckten sich. Britt erkannte Leo Tyler in der Menge, der in dem Bus vor ihnen gefahren war, und Pippin Costello, die aus dem hinteren stieg. In ihren knappen Kate-Moss-Shorts und ihrem smaragdgrünen Hemdchen mit den farblich dazu passenden, knöchelhohen Converse-Turnschuhen sah Pippin aus, als wollte sie an Modeaufnahmen für eine Kollektion teilnehmen, deren Motto Amazonien lautete. Ich hätte Angst, so viel Haut zu zeigen, dachte Britt. Da lädt man die Moskitos doch förmlich ein! Allein bei dem Gedanken an die Insekten spürte sie Juckreiz und holte abermals ihr Spray aus der Tasche.
Manolo, ihr Führer, scharte seine Gruppe um sich und teilte Wanderstöcke aus.
»Die Wege können rutschig sein«, meinte er. »Also bitte achten Sie auf Ihre Schritte.«
»Es ist so aufregend«, sagte Mia. »Los, gehen wir.«
Britt atmete tief ein, verstärkte den Griff um ihren Stock und folgte den anderen in das dichte Grün des Regenwalds. Sie hatte Mühe, Manolo zu verstehen, der über die ökologischen Besonderheiten der Region erzählte und deren Bedeutung für den Umweltschutz.
»Ameisen.« Er hob die Hand und blieb stehen. »Sehen Sie?« Alle blickten auf die Armee winziger Kreaturen hinab, die, Blätterreste zwischen den Mundwerkzeugen, emsig den Pfad kreuzten. So klein sind sie gar nicht, dachte Britt. Im Gegenteil, riesig
im Vergleich zu den Ameisen bei uns zu Hause. Sie kratzte sich am Knöchel.
»Oh, schau mal!«, rief Mia. »Ein Kolibri.«
Fasziniert betrachteten sie den Vogel mit der rubinroten Kehle. Als er wegflog, folgten sie ihrem Wanderführer tiefer in den Wald hinein.
»Es ist so dunkel und so still«, sagte Mia, während sie über eine weitere Ameisenstraße stieg. »Aber das täuscht nur, der Wald wimmelt vor Lebewesen. Ist es nicht furchtbar, dass die Menschen einen Regenwald nach dem anderen zerstören?«
Britt nickte. Der Gedanke, dass tagtäglich ganze Urwaldstriche abgeholzt wurden, war unerträglich. Es war eine Schande, dass die Menschen mit Kettensägen und schweren Maschinen Orte wie diesen entweihten.
»Unsere erste Brücke«, verkündete Manolo. »Sie ist vollkommen sicher, das verspreche ich Ihnen.«
Britt schluckte schwer. Die Aussicht, die kurze Hängebrücke, die vor ihnen lag, zu überqueren, erfüllte sie nicht gerade mit Zuversicht. Als die Ersten der Gruppe sie betraten, begann sie zu schwingen, und natürlich spannte sie sich über einen tiefen Abgrund … Britt spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Sie hatte Angst, sich nicht zu trauen.
»Du kannst es«, sagte Mia, die neben ihr ging. »Du wirst sehen, es ist ein wunderbares Erlebnis.«
Ganz so weit wäre Britt in ihrem Enthusiasmus nicht gegangen, als sie die Brücke schließlich erfolgreich bewältigt hatte; ohnehin hatte sie die meiste Zeit die Augen halb geschlossen gehabt. Hinter ihr verließ Pippin die Brücke.
»Ich weiß nicht, ob ich so was noch mal schaffe.« Pippins Augen waren weit aufgerissen. »Ich habe Höhenangst. Außerdem bin ich allergisch gegen irgendein Grünzeug, das hier wächst.«
»Warum sind Sie dann überhaupt mitgekommen«, fragte Mia.
»Nun, wegen meines Wohltätigkeitsprojekts.« Pippin lächelte
vielsagend. »Ich bin Schirmherrin einer irischen Umweltschutzgruppe. Ein grünes Image ist gut für meine Karriere. Die Umweltleute senden Fotos von mir an die Presse, die zeigen, wie naturliebend und
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