Das Glück reicht immer für zwei
und unreife Angeber. (Als bestes Beispiel dafür nannte sie ihren Bruder James, und Mia gelang es nicht, ihn überzeugend zu verteidigen – der arme James war bis Ende zwanzig ein ziemlich hoffnungsloser Fall gewesen. Später
waren sich die beiden Schwestern einig, es sei einzig Sarahs Verdienst, dass aus ihm doch noch ein lebenstüchtiger Mensch geworden war.) Ralph hingegen schien alles andere als dumm und unreif – er war einfach umwerfend und hatte etwas von einem Hasardeur, genau das, was Britt offensichtlich um den Verstand gebracht und sie zum größten Fehler ihres Lebens verleitet hatte. Und irgendwie, dachte Mia, musste sie noch immer dafür bezahlen.
Sie hoffte nur, dass Allegra keine dummen Fehler beging, wenn sie in das Alter kam, sich für Jungen zu interessieren. Nicht wie Britt und sie. Sie hoffte, sie würde den Richtigen finden und mit ihm glücklich werden.
Bei dem Gedanken an Allegra verspürte Mia erneut einen Anflug von Einsamkeit. Sie hatte sie unmittelbar nach ihrer Einschiffung angerufen, also kurz vor Allegras Schlafensgehenszeit, wenn man berücksichtigte, dass es in Dublin wegen der Zeitverschiebung sechs Stunden später war. Ihre Tochter hatte sie gefragt, wann sie nach Hause komme, und Mia hatte »bald« gesagt. Sie hatte sich schrecklich dabei gefühlt, weil ein Zeitraum von zwei Wochen in den Augen eines Kindes bestimmt nicht »bald« war, sondern eine halbe Ewigkeit. In diesem Moment bereute sie bitter, die Reise aus egoistischen Motiven angetreten zu haben, meinte sie doch, sich einen Urlaub verdient zu haben – wobei es ja kein richtiger Urlaub, sondern eine mit Arbeit verbundene Reise war – und dass es ihr guttun würde, eine Weile von Allegra getrennt zu sein. Aber es war weder gut für sie noch für Allegra; sie war eine schlechte Mutter, genau so wie die Leute es prophezeit hatten.
»Mia? Alles in Ordnung mit dir?« Britt sah sie besorgt an, und Mia bemerkte mit Schrecken, dass Tränen in ihren Augen standen.
»Ja, natürlich«, beeilte sie sich zu sagen. »Alles okay.«
»Habe ich etwas gesagt, womit ich dich verärgert habe?«
»Nein.«
»Gibt es einen anderen Grund, warum du traurig bist?«
»Nein, aber ich habe gerade an Allegra denken müssen.«
»Vermisst du sie?«
»Britt! Sie ist meine Tochter und erst drei Jahre alt. Natürlich vermisse ich sie.«
»Sicher, ich verstehe.«
Mia zuckte die Schultern. »Es ist gleich wieder vorbei. Allegra geht es bestimmt gut.«
»Ich weiß, wie schwer es für dich war, sie zurückzulassen«, sagte Britt. »Umso mehr schätze ich es, dass du mitgekommen bist.«
»Ich mache das doch gern.« Mia trank den letzten Schluck Champagner und bemühte sich um ein Lächeln. Sie wusste, dass sich Britt Mühe gab, fürsorglich zu sein. Sie fragte sich, wie lange sie es durchhalten würde, ehe ihr altes Wesen wieder zum Vorschein kam.
Seit die Band zu spielen aufgehört hatte, zerstreuten sich die Passagiere und entfernten sich schlendernd vom Pool, wo nur noch wenige herumstanden: Mia und Britt, eine Gruppe von Frauen, vier ältere Männer und ein jüngerer einzelner Mann, der an der Reling lehnte, ein Glas mit einem knallbunten Cocktail in der Hand, den er offensichtlich noch nicht gekostet hatte. Mia erkannte in ihm den Passagier, der zuletzt an Bord gegangen war, als die Fotografin sich bereits zum Gehen gewandt hatte. Vielleicht, dachte Mia, war er jemand Berühmtes, der den Rummel mied. Oder aber er hatte ein geheimes Rendezvous an Bord.
»Lass uns gehen«, sagte Britt. »Mal sehen, ob wir einen Tisch im Hauptrestaurant ergattern. Aber wahrscheinlich sind wir zu spät dran.«
Mia blickte wieder auf ihre Uhr. Die Zeiger standen immer noch auf kurz vor sieben. Irritiert klopfte sie auf das Ziffernblatt. »Ich brauche wohl eine neue Batterie. Oder aber ich kaufe mir irgendwo an einem exotischen Ort eine neue Armbanduhr. Und
was ist, wenn wir einen Tisch mit anderen Gästen teilen müssen? Meinst du, du bist heute Abend in der Lage dazu?«
»Ein Tisch nur für uns wäre mir natürlich lieber. Falls wir im Hauptrestaurant keinen freien Tisch ergattern, könnten wir doch in eines der Cafés oder Bistros gehen, was meinst du?«
Mia nickte. Britt war der Boss. Außerdem war sie mit einem Mal ziemlich müde. Und zu ihrem Erstaunen kein bisschen hungrig.
Das Parthenon Restaurant war fast voll, doch zu Britts und Mias Freude erwischten sie den letzten kleinen, runden Tisch direkt neben der Tür. Er war für drei Personen
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