Das Glück reicht immer für zwei
zu berichten. Eine hervorragende Möglichkeit, wie ihre Agentin in selbstzufriedenem Ton sagte, um gleichzeitig ihren Akku aufzuladen und sich ihren Leserinnen zu präsentieren. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen sozusagen, fügte sie hinzu.
3. Kapitel
POSITION: MS APHRODITE, GERADE AUSGELAUFEN.
WETTER: SCHÖN UND TROCKEN. WIND: SÜDOST, STÄRKE 4.
TEMPERATUR: 25°. LUFTDRUCK: 1014.9 MBAR.
Obwohl es für alle ein langer und anstrengender Tag gewesen war, hatten sich zahlreiche Passagiere zur Auslaufparty am Trident Pool eingefunden, angelockt von Champagner und Kanapees und den beschwingten Klängen der Schiffsband, die an das Calypso-Thema anknüpfte. Als Mia und Britt – die sich kurzzeitig verirrt und sich am falschen Ende des Schiffes wiedergefunden hatten – schließlich beim Pool eintrafen, war die Abendluft erfüllt von fröhlichen Stimmen und Gelächter. Der Poolbereich war geschmückt mit bunten Lichterketten und einer Eisskulptur des Meeresgottes Neptun.
Die beiden Schwestern schoben sich durch die Menge und nahmen die Champagnergläser entgegen, die ihnen einer der Stewards reichte. Dem Anlass entsprechend trug er ein Hemd mit Blumenmotiven und eine weiße Hose; als er ihnen das Tablett mit den schmalen Knäckebrotscheiben mit Lachs hinhielt, lehnte Britt ab.
»Hab keinen Hunger«, sagte sie zu Mia, die beherzt zugriff.
»Wie, du bist nicht hungrig?«, fragte ihre Schwester, die, noch an einem kauend, bereits nach einem weiteren Kanapee langte, ehe das Tablett weiterwanderte. »Wir haben seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen, und das Restaurant öffnet erst in einer Stunde.«
»In einer Stunde werde ich bestimmt Hunger haben«, erwiderte Britt. »Aber jetzt noch nicht.«
»Wenn ich das bloß auch sagen könnte.« Mia blickte reuevoll auf ihre Hüften und ihren Bauch. »Ich bin schon fett genug.«
»Mir gefällt deine Figur«, sagte Britt. »Ich wünschte, ich hätte deine Kurven.«
Mia blickte sie erstaunt an. »Das meinst du nicht ernst.«
»Doch.« Britt lächelte. »Ich finde, Liebesromanautorinnen sollten Kurven haben.«
»Warum denn?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, um beim Schreiben einen warmherzigen Blick aufs Leben zu haben.«
Mia kicherte. »Du bist verrückt, weißt du das?«
»Ja.« Britt ignorierte auch das Tablett mit den Miniaturblätterteigpasteten, die ihnen kredenzt wurden, doch Mia bediente sich.
»Wenn du Kurven willst, solltest du was essen«, sagte sie.
»Später.« Britt sah sich unter den umstehenden Passagieren um, die sich fröhlich plaudernd und lachend den Champagner und die Kanapees schmecken ließen. »Was meinst du? Ob wohl die meisten dieser Leute bereits liiert sind? Oder sehen welche von denen so aus, als hätten sie Lust, den Schreib-Workshop einer Autorin zu besuchen, die ihnen am liebsten raten würde, die Finger vom Heiraten zu lassen?«
»Das meinst du nicht wirklich.«
»Doch, und ob ich das meine.« Britt fuhr fort, ihre Mitpassagiere in Augenschein zu nehmen. »Ziemlich viele junge Leute – angeblich wird es sechs Hochzeiten an Bord geben, wobei das eine Paar um die siebzig ist.«
»Du meine Güte!« Mia sah sie erstaunt an. »Ich wusste gar nicht, dass Seehochzeiten so populär sind.«
»Heutzutage gibt es alle möglichen Arten von Hochzeiten. Ich hatte es mit Scheidungen von Paaren zu tun, die sich in Alaska haben trauen lassen oder in einem Heißluftballon oder unter Wasser …«
Mia kicherte abermals. »Willst du damit sagen, je ausgefallener die Hochzeit, desto wahrscheinlicher eine Scheidung?«
»O nein.« Britt schüttelte den Kopf. »Es spielt nicht wirklich eine Rolle. Die Leute lassen sich so oder so scheiden.«
»Und was wird wohl aus den auf diesem Schiff geschlossenen Ehen?«
»Die Hälfte wird den Bach runtergehen«, erwiderte Britt, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Du bist ganz schön zynisch.«
»Nein, das Leben ist nun mal so.« Britt lächelte. »Ich wette, einige dieser Menschen werden sich auf dem Schiff auch verloben. Und nicht zu vergessen die Paare, die irgendeinen Hochzeitstag feiern.«
»Was du sagen willst, ist, dass wir die große Ausnahme sind, nicht wahr?«
»Und das war mit ein Grund, warum ich nicht besonders scharf auf diese Reise war. Es mag ja auch ein paar Passagiere geben, die einfach nur einen schönen Urlaub verbringen wollen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir mitten in einen einzigen großen Hochzeitsjahrmarkt hineingeplatzt sind. Also mit anderen Worten: in die Hölle
Weitere Kostenlose Bücher