Das Glück reicht immer für zwei
musste, wenn man dem Newsletter glauben wollte, in dem sie als eine Frau angepriesen wurde, der es gelang, »das wahre Wesen der Liebe zu erkennen«. Also konnte sie wohl kaum kühl sein. Schade eigentlich, dachte er. Er wollte keine Frauen kennenlernen, die sich mit dem Wesen der Liebe befassten. Wahrscheinlich gehörte die Autorin zu jenen überschwänglichen Menschen, die alle ihre Mitmenschen liebte. Er hatte die Nase voll von fürsorglichen Frauen. Bis zu dem Zeitpunkt, da er Karen angeschnauzt hatte, waren die Frauen in seinem Büro einfühlsam und rücksichtsvoll ihm gegenüber gewesen, wobei manche von ihnen einen regelrechten Eiertanz um ihn herum aufführten. Doch von da an zeigten sie ihm die kühle Schulter, und ihm war es recht.
Er fragte sich, ob er mehr über die weibliche Psyche erfahren würde, wenn er diesen Bestseller las oder eine der Veranstaltungen der Autorin besuchte. Wenn er die Frauen besser gekannt hätte, hätte er sich dann anders verhalten? Wäre sein Leben so verlaufen, wie es hätte verlaufen sollen?
Vanessa hatte Liebesromane gelesen, was ihn ziemlich entsetzt hatte. Er sagte zu ihr, dass das Quatsch sei, dass es im wahren Leben nie so komme wie in ihren Lieblingsromanen. Und er hatte natürlich recht. Doch sie lachte ihn aus und erwiderte, dass das, worauf es im Leben wirklich ankomme, Liebe und Romantik sei und nicht, immer noch erfolgreichere Deals mit seinen Kunden abzuschließen.
Aber er wollte jetzt nicht an Vanessa denken. Er wollte nicht daran denken, dass sie in diesem Moment eigentlich bei ihm hätte sein sollen. Meine perfekten Flitterwochen, hatte sie zu ihm gesagt, einen Monat, bevor sie ihn betrog. Einen Monat, bevor die Welt für ihn zusammenbrach.
Britt blieb einen Augenblick lang zögernd vor der Tür des Konferenzraums »Athena« stehen. Von drinnen waren gedämpfte
Stimmen und vereinzeltes Gelächter zu hören. Ihre Hand verharrte auf der Klinke, und plötzlich hatte sie ein trockenes Gefühl im Mund. Sie war es gewohnt, vor größeren Gruppen von Menschen zu sprechen. In der Kanzlei war das an der Tagesordnung. Aber das hier war etwas völlig anderes. In ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin war es wichtig gewesen, die Emotionen beiseitezulassen und sich auf die Fakten zu konzentrieren, das hatte sie auch immer wieder zu ihren Mandantinnen gesagt. Aber bei ihrem Vortrag jetzt sollte sie genau das Gegenteil vermitteln. Sie hatte sich große Mühe gegeben, ihn so zu gestalten, dass sich die Menschen, die an die eine große Liebe glaubten, angesprochen fühlten. Und dann hatte sie sich lange überlegt, was sie sagen konnte, um ihre wahre Überzeugung zu vermitteln, sodass niemals jemand mehr auf die Idee käme, ihr einen solchen Vortrag abzuverlangen.
Sie atmete tief durch, öffnete die Tür und betrat den Raum. Die Gesichter der Anwesenden wandten sich ihr neugierig zu, während sie den Blick durch den Raum schweifen ließ. Die Poster mit dem Cover von Der perfekte Mann (die Silhouette eines Paares vor einem flammend orangefarbenen Hintergrund und dazu eine recht ungewöhnliche Schrifttype, eine Covergestaltung, die mittlerweile von vielen Verlagen kopiert wurde) hingen, wo sie hingehörten, und auch ihr Laptop stand bereit und war an den Projektor angeschlossen, der ebenfalls das Coverbild an eine Leinwand warf. Außerdem waren die Wände mit ausgeschnittenen Herzen und kleinen Liebesgöttern dekoriert, und herzförmige Luftballons tanzten im Rhythmus des schwankenden Schiffes auf einigen Tischen. Vor jedem Platz lag eine kleine goldene Pralinenschachtel mit rotem Band, jede etwas anders gestaltet. Britt kam sich vor wie in einem Bordell.
Der Raum bot Platz für vierzig Personen, und jeder Stuhl war besetzt. Ein kurzer Blick genügte Britt, um ihre Vermutung bestätigt zu sehen, dass sie es mit einem vorwiegend weiblichen Publikum
zu tun hatte. Aber hier und da waren auch ein paar Männer auszumachen, die sie, ein aufgeschlagenes Notizbuch vor sich auf dem Tisch, ernst ansahen. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie auch Leo Tyler, der jedoch kein Notizbuch dabeihatte und gelangweilt zur Decke sah.
»Guten Tag«, sagte sie und räusperte sich. »Ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind, und bedanke mich für Ihr Interesse.«
Gedämpftes Gemurmel erhob sich.
Mia huschte zu dem für sie reservierten Platz in der vorderen Ecke des Raums. Sie sah, dass die Stirn ihrer Schwester von Schweißperlen bedeckt war. Augenblicklich spürte sie einen Anflug
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