Das Glück reicht immer für zwei
sie jemanden so sehr geliebt wie sie –, und dennoch war es ganz schön hart als alleinerziehende Mutter. Noch dazu, da sie weit weg von zu Hause lebte.
Doch obwohl sie wusste, dass ihr Leben dadurch komplizierter war, hatte sie das Bedürfnis, weit weg von zu Hause zu sein. Als sie Paula erzählt hatte, sie würde mit Allegra nach Spanien ziehen, war ihre Mutter entsetzt gewesen und hatte versucht, sie umzustimmen. Aber Mia hatte sich nicht von ihren Plänen abbringen lassen.
»Bist du völlig verrückt geworden?«, sagte Paula zu ihr.
»Nein«, entgegnete Mia. »Ich muss es einfach tun.«
»Du musst gar nichts Derartiges tun. Du kannst ebenso gut bei uns leben. Wir könnten jederzeit Hilfe in unserem Bed & Breakfast gebrauchen.«
»Ich will aber nicht in einer Frühstückspension aushelfen. Ich möchte einen richtigen Beruf und gleichzeitig Allegra großziehen.«
»Wir würden dich angemessen bezahlen«, sagte Paula. »Ich habe nicht gemeint, dass du für Kost und Logis bei uns arbeiten sollst. Es gibt jede Menge zu tun, vor allem in den Sommermonaten.«
»Ich möchte aber nicht in einem B&B arbeiten. Ob die Pension euch gehört oder jemand anderem, spielt keine Rolle.«
»Und wie willst du eine Arbeit finden, wenn du dich gleichzeitig allein um Allegra kümmern musst, noch dazu in einem fremden Land?«, fragte Paula.
»Also, als fremd kann man es wohl kaum mehr bezeichnen, nachdem ihr zehn Jahre in Folge mit uns nach Torremolinos in Urlaub gefahren seid.«
»Das ist etwas völlig anderes, und das weißt du auch«, gab Paula zurück. »Ich kann wirklich nicht glauben, dass du so stur und töricht bist.« Sie starrte ihre Tochter ungläubig an. »Hat es etwas mit diesem Mann zu tun? Diesem Alejo? Lebt er vielleicht dort?«
»Ich weiß nicht, wo Alejo lebt.« Das war nicht ganz ehrlich, aber Mia hatte keine Lust dazu, sich mit Paula auf eine lange, fruchtlose Debatte über den Vater ihres Kindes einzulassen. »Ich will einfach nur, dass Allegra einen Teil ihrer kulturellen Wurzeln kennenlernt.«
»Ach du meine Güte!« Paula schien allmählich der Geduldsfaden zu reißen. »Was heißt hier ihre Wurzeln? Sie ist Irin, ganz einfach. Ihre Kultur ist hier. Und wenn du unbedingt allein irgendwo leben willst, kannst du ebenso gut in Dublin wohnen.«
»Mum, ich kann mir Dublin nicht leisten!«, rief Mia. »Nicht nur, dass dort horrende Mieten verlangt werden, das ganze Leben ist lachhaft teuer. Spanien hingegen ist preiswert. Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert und auch schon ein Häuschen gefunden, das ich für ein paar Monate mieten kann. Außerdem habe ich eine kleine Summe gespart, die mich über Wasser halten wird, bis ich einen Job in einer Bar oder einem Café gefunden habe …«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Paula ungeduldig. »Wie kommst du auf die Idee, dass du dort so einfach eine Stelle findest, für die wahrscheinlich Dutzende von Spaniern Schlange stehen?«
»Weil die Gemeinde von Sierra Bonita auf ihrer Webseite Stellen ausgeschrieben hat«, erwiderte Mia geduldig. »Schau, wenn es nicht klappt, wie ich es mir vorgestellt habe, kann ich immer noch zurückkommen. Aber ich muss es einfach versuchen.«
Paula sah sie ungeduldig an. »Was bist du nur für ein Dickkopf. Du musst dir nichts beweisen oder gar Buße tun, weißt du.«
»Mit Buße hat das nichts zu tun«, erwiderte Mia. »Nicht dass du denkst, dass ich es bereue, Allegra bekommen zu haben. Sie ist das Beste, was mir je passiert ist.«
»Dann verbaue wenigstens ihr nicht die Zukunft«, sagte Paula eindringlich. »Du darfst dich und deine Tochter nicht isolieren.«
»Ich muss es einfach tun«, sagte Mia. »Für sie und für mich.«
Und so war sie nach Sierra Bonita gegangen und hatte es keine Sekunde bereut. Es gefiel ihr so gut dort, dass sie keine Lust verspürte, nach Irland zurückzukehren, um ihren Eltern in ihrem Bed & Breakfast zu helfen. Nur manchmal, das musste sie sich eingestehen, war sie sehr einsam. Aber so richtig begriffen hatte sie das erst in den letzten Tagen.
Sie rieb sich die Augen. Sie war sich nicht ganz im Klaren, ob das blendende Sonnenlicht ihr Tränen in die Augen getrieben hatte oder ob es an ihrer nachdenklichen Stimmung und ihrer Grübelei über die Zukunft lag. Wenn Letzteres der Fall war und sie weinte, weil sie sich um ihr weiteres Leben sorgte, dann war das ziemlich dumm, sagte sie sich. Ihr Leben in Spanien war gut, und es gab nichts, worüber sie Tränen vergießen musste.
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