Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
abwarten musste, bis sie verebbten.
»Was ist?« Marlboro Man hob den Kopf vom Kissen und sah mich fragend an.
»Ich habe Wehen«, flüsterte ich. Warum sprach ich nicht laut?
»Im Ernst?«, fragte er, setzte sich auf und betrachtete meinen Bauch, als könnte man es ihm ansehen.
Er warf sich seine Sachen über, putzte sich die Zähne, und kurz darauf saßen wir im Wagen, unterwegs zum hundert Kilometer entfernten Krankenhaus. Die Wehen wurden stärker. Es fühlte sich an, als wäre etwas in meinem Körper, das unbedingt hinauswollte.
Unter den gegebenen Umständen ein ganz normales Gefühl, denke ich.
Eine Stunde später fuhren wir auf den Parkplatz des Krankenhauses. Mit meinem frisch geföhnten Haar und dem schimmernden Make-up musste ich vom Auto bis zum Kreißsaal sechsmal stehen bleiben und mich zusammenkrümmen. Ich konnte buchstäblich keinen Schritt gehen, bevor die Wehe vorbei war. Eine Stunde nach unserer Ankunft wand ich mich vor Schmerzen in einem Krankenhausbett und wünschte mir wieder, dass ich doch nach Chicago gezogen wäre. Die typische, irrationale Reaktion, wenn mal etwas nicht richtig klappte in meinem Leben. Morgendliche Übelkeit? Wäre ich doch nach Chicago gegangen! Kuhfladen im Garten? Chicago wäre die bessere Wahl gewesen! Wehen im Abstand von weniger als einer Minute? Windy City, ich komme!
Schließlich stand ich kurz vor einem Zusammenbruch. Die Schmerzen der Geburt sind ein unbeschreibliches Gefühl – ein den ganzen Körper ergreifender Krampf, der einem den Verstand raubt und dessen Ursprung man in dem Moment nicht mal ansatzweise begreift. Nachdem ich vergeblich versucht hatte, vor meinem Cowboy stark und tough zu wirken, ließ ich mich schließlich gehen, krallte mich in das Bettlaken und biss die Zähne aufeinander. Ich stöhnte und ächzte, drückte auf die Klingel und wimmerte: »Ich schaff das nicht.« Als die Schwester kurz darauf ins Zimmer kam, flehte ich sie an, mich von meinem Elend zu erlösen. Meine Rettung nahte fünf Minuten später in Form einer zwanzig Zentimeter langen Nadel. Als die Narkose zu wirken begann, musste ich fast weinen. Die Erleichterung war unbeschreiblich.
Ich war so selig und schmerzfrei, dass ich einschlief. Als ich eine Stunde später verwirrt und orientierungslos aufwachte, sagte mir eine Schwester namens Heidi, es sei Zeit zu pressen. Kurz darauf kam Dr. Oliver im kompletten OP-Outfit herein.
»Bist du so weit, Mama?«, fragte Marlboro Man, der an meinen Schultern stand, während die Schwester meine Beine verhüllte und den Wehenschreiber an meinem Bauch zurechtrückte. Ich hatte das Gefühl, auf einer Party gelandet zu sein. Aber es war die sonderbarste Party aller Zeiten – die Gastgeberin steckte meine Füße in Steigbügel.
Ich befahl Marlboro Man, sich nicht weiter südlich als bis zu meinem Bauchnabel zu bewegen, während die Schwestern an ihren Platz huschten. Eines hatte ich schon vorher klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: Ich wollte ihn da unten nicht haben. Er sollte mich auch weiterhin auf die altmodische Art kennenlernen, außerdem bekam der Arzt schließlich Geld für das, was er tat.
»Los, pressen Sie noch mal für mich«, sagte Dr. Oliver.
Ich gehorchte, doch ich drückte nur so stark, dass nicht aus Versehen etwas Peinliches mit herauskam. Eine größere Demütigung hätte ich mir nicht vorstellen können.
»So wird das nichts«, schimpfte Dr. Oliver.
Ich presste erneut.
»Ree«, sagte Dr. Oliver und sah zwischen meinen Beinen zu mir auf. »Das können Sie doch besser.«
Er hatte mich früher im Ballettensemble unserer Stadt gesehen. Er hatte gesehen, wie ich mich verbogen, verrenkt und verdreht hatte im Nussknacker , im Schwanensee , im Mittsommernachtstraum . Er wusste, dass ich die innere Kraft hatte, ein Kind herauszupressen.
Da nahm Marlboro Man meine Hand, als wollte er mir, seiner verschwitzten, müden Frau, einen Teil seiner Stärke und seines Durchhaltevermögens geben.
»Los, komm, Schatz!«, sagte er. »Das schaffst du.«
Einige Minuten später wurde unser Kind geboren.
Nur war es kein kleiner Junge. Es war ein sieben Pfund schweres, dreiundfünfzig Zentimeter großes Mädchen.
Es war der wichtigste Augenblick in meinem Leben.
Und in mehr als einer Hinsicht war es ein bedeutsamer Augenblick für Marlboro Man.
32.
Einsam sind die Tapferen
Ich lag da, erschöpft und erleichtert, weil das, was bis eben in mir gewachsen war, jetzt draußen war. Marlboro Man war baff. Liebevoll
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