Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
wie ich mich anhörte.
»Ich fahre für eine Weile zu meinen Eltern … Ich hab das Gefühl, ich muss erst mal einen klaren Kopf bekommen«, fuhr ich fort.
»Aber du kommst doch bald wieder, oder?« J trank ein großes Glas Sake.
J.
Irgendwie war er schwer von Begriff.
Einige Wochen später betrat ich das Haus meiner Eltern. Obwohl ich eigentlich ein eher blasser, sommersprossiger Typ bin, hatte meine Haut nach mehreren Jahren in L.A. zwangsläufig einen goldbraunen Ton angenommen, schließlich war ich dort immer zu Fuß zum Auto gegangen. Ich ließ mein kalifornisches Gepäck im Flur fallen, stürzte die Treppe hinauf und warf mich bäuchlings auf das Bett in meinem Zimmer. Fast augenblicklich schlief ich ein und verließ in der folgenden Woche kaum einmal die Geborgenheit meiner ausgeblichenen, kuscheligen pfirsichfarbenen Laken. Puggy Sue, der von mir heiß geliebte Familienhund, kuschelte sich an mich und rührte sich tagelang nicht vom Fleck, und die weichen Samtohren des Mopses waren der perfekte Trost für mein verwirrtes, unentschlossenes Herz.
Ab und zu setzte sich mein Bruder Mike zu mir. Er war anderthalb Jahre älter als ich und hatte nichts Besseres zu tun. Aufgrund einer Entwicklungsstörung begnügte er sich gern damit, mir über den Kopf zu streicheln, mir zu sagen, wie hübsch ich sei, oder mir mitzuteilen, dass er morgens zum Frühstück Brötchen mit Fleischsoße oder ein »K-K-Käseomelett« gegessen hatte. Ich lauschte ihm, als handelte es sich um die jährliche Ansprache des Präsidenten zur Lage der Nation. Es tat so gut, zu Hause zu sein! Irgendwann bat Mike mich dann, ihn zur Feuerwache Nr. 3 zu bringen, wo er regelmäßig herumhing, und jedes Mal lehnte ich mit der Begründung ab, ich sei zu beschäftigt. Dann zog er beleidigt von dannen, und ich schlief noch ein bisschen. Es war herrlich.
Manchmal war ich lange genug wach, um ein bisschen durch die wunderbaren alten Zeitschriften auf meinem Nachttisch zu blättern – eine Ausgabe von Seventeen hatte Phoebe Cates auf dem Cover, die in den Achtzigern mit Teeniefilmen berühmt geworden war –, meine Nägel zu feilen oder einfach nur dazuliegen und die zarten weißen Blümchen auf meiner grauen Tapete in Gedanken neu zu ordnen, so wie ich es immer als kleines Mädchen getan hatte.
Manchmal weinte ich auch: Ich hatte einfach unheimlich viel in J investiert. Obwohl ich mich für stark und selbstbewusst gehalten hatte, war ich in Kalifornien kläglich abhängig von ihm geworden. Ich schämte mich, dass ich mich an diesen Trott gewöhnt hatte – dass ich in jenen tiefen Graben von Unsicherheit und Angst gefallen war, ein Schicksal, das so viele junge Frauen zwangsläufig einmal im Leben ereilt. Einmal … wenn sie Glück haben. Ich weinte aber auch vor Erleichterung. Es fühlte sich an, als hätte ich jahrelang die Luft angehalten und könnte nun endlich ausatmen. Tagelang atmete ich einfach nur durch. Ich weinte, weil ich J verlassen hatte, zum Glück nicht andersherum, was wirklich mies gewesen wäre.
Ich weinte, weil er süß war und ich mich an ihn gewöhnt hatte.
Ich weinte, weil er mir fehlte.
Um Zeit totzuschlagen, begleitete ich meine Großmutter Ga-Ga zum Abendessen mit ihren besten Freundinnen, die sich einmal in der Woche in ihrer dreißig Kilometer entfernten Heimatstadt trafen. Dieses Essen fand regelmäßig dienstags abends im Ideal Café statt, und sie hatten mich dazu eingeladen. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass mein erstes Treffen mit Ga-Ga, Ruthie, Delphia und Dorothy so mörderisch aufreibend werden würde; ich bestellte vegetarische Beilagen wie Kartoffelbrei und grüne Bohnen und sah den Damen dabei zu, wie sie so abscheuliche Gerichte wie Leber mit Zwiebeln, paniertes Beefsteak und Hackbraten verdrückten, während sie über das bevorstehende Kirchenfest plauderten, darüber, wie viel die pensionierten Lehrer bei ihrem Kuchenbasar eingenommen hatten und wie groß die Kinder aus der Nachbarschaft geworden waren. Am Ende teilten sie sich alle gemeinsam zwei Stück Pie – immer Rhabarber und Zitronenbaiser –, derweil bestellte ich mir noch eine Cola light und blickte ständig auf die Uhr. Ich konnte nicht fassen, wie wichtig sie das alles fanden. War ihnen denn überhaupt nicht klar, wie klein ihre Stadt war? Und wie groß Los Angeles? Wussten sie gar nichts von der weiten Welt da draußen? Langweilten sie sich nie? Ich liebte Ga-Ga wirklich von Herzen, aber ihr Kleinstadtleben war für
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