Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
auf einem riesigen Hügel – dem Hügel an Loch 18. Im Winter war dies ein idealer Rodelberg, und wenn Schnee lag, wimmelte es dort nur so von Kindern und ihren abenteuerlustigen Eltern aus dem Country Club, die in Lichtgeschwindigkeit hinuntersausten, nur um gleich darauf für die nächste Abfahrt hochzutrotten. Als ich an diesem Sommertag dort oben stand, konnte ich meinen Vater beinahe vor mir sehen, wie er meine Brüder auf der roten Plastikscheibe mit den Griffen aus dickem Seil anschob, und ich hörte meine Mutter kichern und kreischen, die meiner Schwester und mir auf unserem Schlitten einen ordentlichen Schubs gab. Wir waren doch eine glückliche Familie gewesen, oder nicht? Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es so kommen würde.
Das Laufen hatte mir gutgetan. Mein Körper fühlte sich erfrischt und wie neu an, nur meine Gedanken waren immer noch ein bisschen durcheinander. Langsam ging ich zurück zum Haus, atmete tief durch und ließ die Bilder und Geräusche des Country-Club-Golfplatzes auf mich wirken: In der Ferne piepte ein rückwärts fahrendes Golfcart, die Vorstehhunde bellten, die Dr. Burris jeden Herbst und Winter mit auf die Jagd nahm, unzählige kleine Vögel trillerten triumphierend. Eine ländlichere Umgebung als diese hier hatte ich bisher nicht kennengelernt.
Unweigerlich musste ich wieder an Marlboro Man denken.
Den ganzen Weg zurück zum Haus war er mir im Sinn, und ich stellte mir gerade seine umwerfende Stimme vor, als ich in meinem Zimmer das Telefon klingeln hörte. Ich hastete die Treppe hinauf, drei Stufen auf einmal nehmend, und griff atemlos zum Hörer.
»Hallo?«, keuchte ich.
»Hey, du«, sagte Marlboro Man. »Was machst du gerade?«
»Ach, ich war gerade joggen auf dem Golfplatz«, antwortete ich. Als würde ich das jeden Tag machen.
»Also, ich wollte nur sagen, dass ich dich gegen fünf abholen komme«, sagte er. »Ich habe nämlich Ree-Entzugserscheinungen.«
»Ach, du meinst seit Mitternacht, als wir uns zuletzt gesehen haben?«, witzelte ich. In Wirklichkeit wusste ich genau, was er meinte.
»Ja«, sagte er. »Das ist schon viel zu lange her, ich werde das nicht länger hinnehmen.« Ich schmolz jedes Mal dahin, wenn er so bestimmend wurde.
»Na gut, wenn das so ist … okay. Ich will mich ja nicht mit dir streiten. Bis fünf Uhr also«, sagte ich.
Marlboro Man kam fünf Minuten zu früh, so dass meine zweite Schicht Wimperntusche noch nicht getrocknet war. Er sah umwerfend aus, wie er da vor der Haustür stand, mit seinen starken, leicht gebräunten Armen, die sich von seinem dunkelgrauen Poloshirt abhoben und aussahen wie modellierte Meisterwerke. Er nahm mich in die Arme, hielt mich eine Weile fest und streichelte mir über den Rücken.
Wir stiegen in seinen Pick-up und machten uns auf den Weg zur Ranch, wo wir den Abend verbringen wollten. Während die Straße vor uns mit jedem Kilometer mehr zur Landstraße wurde, unterhielten wir uns. Ich verlor kein Wort über die Sache mit meinen Eltern, und es gelang mir ziemlich gut, nicht die ganze Zeit daran zu denken. Aber der Schock wirkte nach, den ganzen Weg über schwebte eine kleine düstere Wolke über uns. Ich wusste zwar mit jeder Faser meines Körpers, dass ich neben der Liebe meines Lebens saß, doch ich hatte keine Ahnung, was die Zukunft für uns bereithielt. In dem Moment wusste ich nicht mal, was »Zukunft« überhaupt bedeutete. Meine Gedanken schweiften ab, ich blickte aus dem Fenster und betrachtete die näher rückende Prärie.
»Du bist ungewöhnlich still heute«, sagte Marlboro Man, der seine Hand auf meinen Hinterkopf gelegt hatte.
»Ja?« Ich stellte mich dumm. »Das ist keine Absicht.«
»Du bist anders als sonst«, erwiderte er. Seine Finger teilten mein Haar und streichelten meinen Nacken. Ein Kribbeln lief mir den Rücken hinunter.
»Nein, nein, mir geht’s gut«, sagte ich und versuchte, stark und gelassen zu wirken. »Ich glaube, die dreißig Kilometer, die ich heute gelaufen bin, haben mich geschafft.«
Marlboro Man lachte leise. Darauf hatte ich gehofft. »Dreißig Kilometer? Das ist ja ein riesiger Golfplatz«, bemerkte er. Wir mussten beide lachen, weil wir wussten, dass ich viel zu faul war, um eine solche Strecke zu laufen.
Was mich an diesem Abend wirklich bedrückte, konnte ich ihm unmöglich sagen. Ich wollte mir noch nicht recht eingestehen, dass in meiner Familie nicht alles so rosig aussah, wie ich immer gedacht hatte. Und vor allem wollte ich das
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