Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
fallen; ich fühlte mich leer. Es war so ein schöner Tag gewesen: Ich hatte Marlboro Mans Eltern kennengelernt, mich zum ersten Mal mit seiner Mutter unterhalten, sie mit meinem Toyota Camry in einer Neunzig-Grad-Kurve fast umgebracht, hatte mit ihr gelacht und in ihrem Lächeln so viel von meinem Liebsten wiedererkannt. Ich hatte mein Auto zu Schrott gefahren, es im Graben neben einer Buckelpiste zurückgelassen und mich zum Affen gemacht, war aber schnell darüber hinweggekommen. Schließlich hatte ich mich mit Marlboro Man unterhalten, als er mich ritterlich den ganzen weiten Weg nach Hause brachte, hatte mich mit jedem Kilometer, mit jedem unwiderstehlichen Lächeln mehr in ihn verliebt. Aber jetzt – mein Gott, was sollte daraus werden? Offenbar hielt Liebe nicht auf Dauer – das war wohl schlicht nicht möglich. Nicht wenn zwei Menschen um die fünfzig, die seit dreißig Jahren verheiratet waren und die so vieles verband – vier Kinder, zwei Hunde und die Erinnerungen eines ganzen Lebens –, es nicht schafften, zusammenzubleiben. Und was machte ich? Warum gab ich mich überhaupt mit diesem ganzen Quatsch ab, mit Romantik und Liebe? Wo sollte das hinführen? Eine ungewohnte Hoffnungslosigkeit überfiel mich und erfüllte mich mit unheilvollen, furchteinflößenden Vorahnungen. Die hässliche, grausame Wirklichkeit hatte mich am Schlafittchen.
Ich lag in meinem Bett, betrachtete durchs Fenster die unzähligen Sterne, fragte mich, was eigentlich los war, und vergoss heiße, salzige Tränen. Da klingelte wie gewohnt mein Telefon. Ich wusste natürlich sofort, wer dran war. Es war Marlboro Man, der mich so glücklich machte, dass es manchmal zu viel für mich war. Er rief an, um mich mit seiner kräftigen und zugleich heiseren Stimme zu quälen und mir gute Nacht zu sagen. Mittlerweile wartete ich nach unseren Treffen regelrecht auf seinen Anruf; mich dürstete danach wie nach einem Zaubertrank, ich nahm ihn auf wie eine starke, berauschende Droge. Ich war süchtig danach.
Doch an jenem Abend sprang ich nicht auf und stürzte wie eine liebeskranke Schülerin ans Telefon, sondern rollte mich auf die Seite, zog die Decke über den Kopf und versuchte, das Klingeln zu ignorieren. Nach dem vierten Mal hörte es auf, und ich blieb in der dunklen, deprimierenden Stille meines Zimmers zurück – meines Zimmers, in dem ich groß geworden war. Mein Kopfkissen wurde nass von den Tränen der Trauer und Verwirrung, die ich weinte, weil das, was für mich bis dahin der Inbegriff von Stabilität und Verlässlichkeit gewesen war, auf einmal bröckelte. Und zum ersten Mal seit Wochen – seit dem ersten wundervollen Kuss des Cowboys – wollte ich mit Liebe nichts mehr am Hut haben.
9.
Cowgirl Blues
Als ich mich am nächsten Morgen aus dem Bett quälte, fühlte ich mich schrecklich. Mir war flau im Magen; ich war ein Kind, das sich im Wald verlaufen hatte. Über Nacht hatte ich meinen Ehrenplatz in der Gemeinschaft der Menschen mit verlässlichem Zuhause verloren, ich war verstoßen worden und wurde nicht damit fertig.
Ich versuchte, an Marlboro Man zu denken, aber es gelang mir nicht – ich brachte nicht die nötigen Emotionen auf, um mich in meine üblichen lebhaften Tagträume von ihm zu flüchten. Eine Last zog mich hinunter, so dass ich auf einmal überhaupt nicht mehr wusste, was ich eigentlich wollte. Anders als viele Menschen hatte ich nie auf den Tag meiner Hochzeit hingelebt oder darauf gewartet, mein Leben für immer mit derselben Person zu verbringen. Dazu hatte ich immer viel zu sehr in der Gegenwart gelebt, ich konnte gar nicht so weit vorausdenken. Außerdem hatte ich noch nie eine Beziehung gehabt, die mir erlaubt hätte, der Liebe anders als zynisch gegenüberzustehen. Aber mit Marlboro Man hatte sich das geändert. Wir hatten zwar noch nie übers Heiraten gesprochen, doch es war das erste Mal, dass ein Mann vierundzwanzig Stunden am Tag meine Gedanken beherrschte, das erste Mal, dass ich vier Sekunden nach der Verabschiedung schon wieder Sehnsucht nach ihm hatte und dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, ohne ihn zu sein.
Doch an jenem Morgen hatte mein alter Zynismus erneut von mir Besitz ergriffen. Auf einmal war ich wieder überzeugt, dass der Traum von der großen Liebe, der man nur einmal im Leben begegnet, nichts als ein Luftschloss war. Ja, sicher, momentan war ich in Marlboro Man verliebt, aber wo würden wir in fünf Jahren stehen? In fünfzehn Jahren? In dreißig? Vermutlich
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