Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
Adrenalin von der Nahtoderfahrung, doch das war ein anderes Thema. Ich wollte ihn wissen lassen, dass ich in Wirklichkeit keine unbeherrschte, verzogene Göre war. Dass der Brand bloß einfach zu viel für mich gewesen war.
Und dass ich mit ihm auf einer Holzbank im Garten sitzen wollte, wenn wir beide achtzig waren, seinen Arm um meine Schulter gelegt und meine Hand auf seinem Oberschenkel.
Ich war so sehr in meine Gedanken versunken, dass ich gar nicht bewusst mitbekam, wie ich die Nummer von Marlboro Man wählte und das Telefon ein Dutzend Mal klingelte. Als ich es endlich merkte, legte ich sofort auf. Nur Bekloppte lassen den Apparat über zwölfmal klingeln. Schon in Ordnung , sagte ich mir. Er braucht den Schlaf. Dann wurde ich plötzlich von meiner Erschöpfung übermannt … und kroch ins Bett meiner Eltern, das vor langer Zeit ein heiterer, sicherer Hort in unserem Haus gewesen war. Dort glitt ich in einen tiefen Schlaf.
Bei schwachem Licht wachte ich auf. Dämmerte es schon? Hatte ich die ganze Nacht durchgeschlafen? Ich schaute auf den uralten elektrischen Wecker meines Vaters. Es war 19.23 Uhr. Mein Körper fühlte sich schwer und schwach an, als sei ich gerade aus einem langen Winterschlaf erwacht. Als ich die Füße auf den Teppich meiner Eltern stellte und aufstehen wollte, gaben meine Knie fast nach. Ich schaute nach draußen, rieb mir mit den Handrücken die Augen. Es war Abend, das merkte ich. Ich hatte über neun Stunden geschlafen. Tief atmete ich ein, dann schleppte ich mich zur Dusche. Ich musste den Schlaf abspülen.
Nach dem Duschen fühlte ich mich wie neugeboren. Ich war überzeugt, dass Marlboro Man inzwischen ausgeruht war – mit Sicherheit hatte er am Vormittag geschlafen, als ich anrief –, deshalb zog ich meine Lieblingsjeans und mein ebenso geliebtes rosa Top an und schenkte mir ein Glas vom »Far Niente«-Chardonnay meiner Mutter ein. Ich machte es mir in dem gemütlichen Sessel im Wohnzimmer bequem, griff zum Telefon und rief meinen Verlobten an. Ich konnte es nicht erwarten, seine Stimme zu hören. Zu hören, dass alles in Ordnung war.
Stattdessen vernahm ich das sinnliche Flüstern einer Frauenstimme.
»Hallo?«, fragte sie leise, so als dürfe sie niemand hören.
Erschrocken legte ich auf. Verwählt, sagte ich mir und rief abermals an.
Dieselbe Stimme meldete sich. »Hallo?« Die Frau war jung, atemlos, beschäftigt.
Ich erstarrte im Sessel, dann legte ich schnell wieder auf.
Was zum T…
Was um alles in der Welt war da los?
Ich saß da, völlig unfähig, mich zu bewegen. Die atemlose Stimme der jungen Frau dröhnte mir noch immer in den Ohren. Meine Wangen kribbelten; mein ganzer Körper verkrampfte sich. Damit hätte ich nie und nimmer gerechnet.
Ich nagte an meinem Daumennagel, riss ihn fast ab. Was war da gerade passiert? Wer war das denn gewesen? Ich war absolut sprachlos, auch wenn ungezählte negative Gedanken wie wild durch meinen Kopf wirbelten. Es war auf keinen Fall seine Mutter gewesen, deren tiefe, angenehme Stimme ich sofort erkannt hätte. Sein Bruder Tim hatte keine Freundin – das war also auch keine Erklärung. Marlboro Man hatte keine Haushälterin, keine Köchin, keine Akupunkteurin, nicht mal eine Schwester … und er wohnte zu weit abseits, als dass mal kurz jemand bei ihm vorbeischauen würde. Kein Erklärungsversuch ergab irgendeinen Sinn.
Doch selbst wenn es einen vertretbaren Grund für die Gegenwart einer anderen Frau in seinem Haus gegeben hätte, kam ich einfach nicht über den heimlichtuerischen, erotischen Klang der Stimme hinweg. Es war kein Tonfall, mit dem eine Mutter oder eine Tante in einem fremden Haus ans Telefon gehen würde. Die Frau klang jung. Eng vertraut. Sexy.
Die Frau klang nackt. Nackt und gebräunt, zierlich, aber mit beachtlicher Oberweite. Ich konnte ihr Gesicht fast vor mir sehen – veilchenblaue Augen und unglaubliche volle Lippen. Ich wollte meine Phantasie bremsen, damit sie sich auflöste und im Land der Menschen verschwand, die es nicht gab und nie gegeben hatte.
Doch sie wollte nicht verschwinden. Ich hatte genug Filme gesehen, um genau zu wissen, was die flüsternde Stimme dieser Frau zu bedeuten hatte. Ohne dabei gewesen zu sein, wusste ich es. Sie war mit Marlboro Man zusammen. Sie war ebenso verliebt in ihn wie ich. Seit er mit mir ging, hatte sie Abstand gehalten und abgewartet. Und in seinem Frust über unseren Streit am frühen Morgen hatte er die Hand ausgestreckt und Trost bei diesem
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