Das Glück über den Wolken: Roman (German Edition)
nachdem die anderen mit ihren Eltern gegangen waren. Es sind deine Kinder, weißt du. Du hast die Verantwortung für sie, nicht ich.«
Er bekam ein schlechtes Gewissen, genau wie beabsichtigt. Stephen nahm Verantwortung sehr ernst. »Ich war nur nicht begeistert, meine Kinder beim Glücksspiel zu ertappen …«
»Bei dem Streichhölzer der Einsatz waren«, sagten Joanna und Sophie gleichzeitig.
»Wo ist Hermine?«, fragte Sophie und meinte damit Stephens Frau.
»Sie unterhält sich mit Myrtle und Rue über die Gefahren des Glücksspiels.«
Sophie und Joanna sahen einander vielsagend an.
»Ich bin sicher, ihr findet das sehr komisch«, fuhr Stephen fort, der die Blicke der Schwestern richtig deutete, »aber wir arbeiten sehr hart daran, unseren Kindern einen anständigen Moralkodex mitzugeben. Wir wollen nicht, dass das alles an einem Nachmittag ruiniert wird.«
»Dann solltet ihr eure Kinder entweder selbst beaufsichtigen«, erwiderte Joanna, die solche kleinen Dispute mit ihrem Bruder liebte, »oder darauf vertrauen, dass sie den Moralkodex bereits verinnerlicht haben – zusammen mit dem selbst gemachten Müsli und dem Joghurt.«
»Nur weil wir uns für einen nachhaltigen Lebensstil entschieden haben, brauchst du dich nicht darüber lustig zu machen!«
»Doch, Schatz, das muss ich.«
»Soll ich uns Tee kochen?«, fragte Sophie, die fünf Minuten allein sein wollte. Wenn ihre ganze Familie zusammen war, dann brauchte sie immer Tee. Sekt machte Joanna streitlustig, aber da sie nicht oft nach Hause kam und es bei den Apperlys noch seltener Sekt gab, vergaß Sophie immer, dass es besser war, ihr keinen zu trinken zu geben. Tee half ihr vielleicht auch. Manchmal hatte sie das Gefühl, bei der Geburt möglicherweise vertauscht worden zu sein, weil sie so anders war als der Rest ihrer Familie. Aber da sie ihrer Mutter sehr ähnlich sah, musste sie akzeptieren, dass ihr Charakter und ihre Fähigkeiten wohl von irgendeinem Vorfahren stammten. So etwas übersprang manchmal eine Generation.
Die Caterer hatten die Küche makellos sauber hinterlassen, aber Sophie nutzte die Zeit, die das Wasser zum Kochen brauchte, um die Spülmaschine auszuräumen. Als sie fertig war und Tee aufgebrüht hatte, kehrte sie damit und mit ein paar Keksen in den Wintergarten zurück. Michael und ihre Eltern hatten sich zu den anderen gesellt, und die Stimmung stieg – sie war inzwischen geradezu bösartig.
Sophie wandte sich sofort auf dem Absatz um, murmelte: »Mehr Becher«, und zog sich zurück.
Sie kehrte mit zusätzlichen Teebechern und mehr heißem Wasser zurück, und da die anderen viel zu sehr mit Streiten beschäftigt gewesen waren, um die Kanne zu bemerken, goss sie jetzt allen ein.
»Möchte jemand Zucker?«, fragte sie laut, um sich Gehör zu verschaffen.
Plötzlich herrschte Stille. »Das müsstest du doch inzwischen wirklich wissen«, meinte Stephen, »aber die Antwort ist nein. Und ich will auch keine Kuhmilch.«
»Oh, Schatz«, sagte seine Mutter, »wir haben nur Kuhmilch.«
»Der Verzehr von Kuhmilch ist noch grausamer als der von Fleisch«, erklärte Hermine. Ihre beiden Kinder, Myrtle und Rue, hatten die Hände in den Taschen ihrer handgewebten Kleidung vergraben und waren noch ganz kleinlaut von der Strafpredigt, die sie gerade zu hören bekommen hatten. Ob die beiden dankbar dafür waren, vor einer Sünde bewahrt worden zu sein, oder man ihnen befohlen hatte, die Finger in die Taschen zu graben, konnte Sophie nicht sagen. Ihre Nichte und ihr Neffe taten ihr jedenfalls leid; den herrischen Stephen als Vater und die selbstgerechte Hermine als Mutter zu haben konnte nicht sonderlich lustig sein.
»Kekse?« Sophie reichte ihnen den Teller.
»Nein danke!«, lehnte Hermine für beide ab. »Die sind voller Zucker und Trans-Fettsäuren.«
»Also, die enthalten vielleicht Zucker, aber ich habe sie selbst gebacken – mit Butter«, erwiderte Sophie.
»Tatsächlich?«, fragte ihre Mutter. »Mit Butter? Das klingt sehr extravagant.«
»Ich nehme einen«, meinte Michael, der zweitälteste der Geschwister. »Soph backt leckere Kekse.«
Sophie lächelte.
»Du musst das wissen«, meinte Joanna. »Du isst sie ja immer alle. Wird es nicht langsam Zeit, dass du ausziehst?«
»Nein«, erklärte Michael. »Ich würde Sophies Backkünste zu sehr vermissen.«
»Schatz«, wandte ihre Mutter sich jetzt an Joanna, die diese Frage jedes Mal stellte, wenn sie zu Hause war. »Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass es doch
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