Das Glück wartet in Virgin River
seltsam aussehende farbige Steine gesammelt. Auf dem Dachboden standen lauter Öl- und Aquarellgemälde, die zum Schutz bloß in billige Plastiktüten aus dem Supermarkt eingewickelt waren. Mel und Paige waren sich schon einig gewesen, diese Bilder bei einem Garagen-Flohmarkt zu verscherbeln, aber dann fand Preacher den Namen einer Künstlerin im Internet und setzte sie davon in Kenntnis, dass die Bilder ziemlich wertvoll waren. Es waren keine van Goghs, aber ein paar Tausender waren die Schinken doch wert. Bei der Künstlerin handelte es sich um eine Impressionistin aus Nordkalifornien, ihre Bilder stammten aus der Zeit der Depression. Weiter fanden sie ein altes Notizbuch mit Spiralbindung, in dem eine Menge zerknitterter Seiten steckten, auf denen sich merkwürdige, unlesbare Unterschriften befanden. Hope besaß auch Erstausgaben populärer Romane, von denen einige signiert waren. Sie fanden alte Fotos, Postkarten und sehr alten Schmuck. Kein Mensch konnte sich daran erinnern, dass Hope jemals Schmuck getragen hätte. Ein ganzer Wandschrank war vollgestellt mit scheinbar alten Teekannen. Sie hinterließ massenhaft Silberbesteck, doch niemand hätte sagen können, ob sie überhaupt jemals einen Gast zum Essen eingeladen hatte. Und das alles beinhaltete noch nicht die seltenen Stücke gut gefertigter Möbel, von denen die Frauen annahmen, dass es wertvolle Antiquitäten sein könnten.
Aber selbst wenn Mel das nagende Gefühl hatte, dass manches von dem alten Zeug sehr wertvoll sein könnte, hatte sie in diesen Dingen keinerlei Erfahrung. Sie kannte sich aus, wenn es um Fünfsterneköche ging, Modedesigner und schicke Urlaubsorte … jedenfalls galt das für ihr früheres Leben, bevor sie nach Virgin River gezogen war und den Besitzer einer Bar geheiratet hatte.
Muriel St. Claire hingegen, eine Anwohnerin, die ihr hundertJahre altes Farmhaus selbst restauriert hatte, war an jedem Wochenende auf Antiquitätenpirsch und klapperte die Ansiedlungen in den Bergen und Wäldern nach „Funden“ ab. Ihr Haus war voller historischer Gemälde und Tintype-Fotos, sie hatte die alten Armaturen aufpoliert und das Haus mit altmodischen Handarbeiten und antiken Möbeln dekoriert. Also rief Mel bei ihr an.
„Seit vierzig Jahren war ich an jedem freien Wochenende, das mir gegönnt war, bei irgendeiner Haushaltsauflösung“, sagte Muriel. „Abgesehen davon bin ich süchtig nach der Fernsehsendung Kunst und Krempel . Bin schon unterwegs.“
Und in der Tat, Muriel musste durch die Kurven in den Bergen geflogen sein, so schnell war sie da. Wie immer trug sie Jeans, Stiefel und Hut, und wie immer sah sie einfach fantastisch aus. Muriel war eine oscarnominierte Schauspielerin, die sich – jedenfalls halbwegs – zur Ruhe gesetzt hatte. Sie wirkte gut zehn Jahre jünger, als sie war, und gehörte zu den Frauen, die noch in einem Sack elegant aussahen. An diesem Nachmittag stürmte sie mit hochroten Wangen in Hopes Haus, wo sie Mel und ein paar andere Frauen in einem der Schlafzimmer im Obergeschoss fand, das bis unter die Decke mit den unterschiedlichsten Sachen vollgestopft war. „Lasst mich sehen!“, rief sie.
Anschließend brauchte Muriel zwei volle Tage, um sich durch Töpfe, Geschirr, Dokumente, kleine Steine, Kunst, Möbel und verrückte Dinge – wie zum Beispiel Baseballkappen aller ProfiTeams im Lande – zu graben, bevor sie verkündete: „Ich glaube nicht, dass es für Christie’s reicht, aber hier steckt eindeutig Geld drin. Nicht in allen Sachen, aber im Großen und Ganzen.“
„Woher weißt du das?“, fragte Mel.
„Das kann ich riechen .“
„Zum Beispiel diese farbigen Steine?“, fragte Mel erwartungsvoll. „Sind es Edelsteine?“
„Das kann ich nicht beurteilen“, antwortete Muriel. „Aber dieser Kleiderschrank mit altem Porzellan? Antikes Belleek. Das ist sehr teures Porzellan aus Irland. Und die Teekannen? Ich habe darunter ein paar aus englischem Sterling Silber entdeckt, und das sagt mir, dass da einiges an Wert versteckt ist.“
„Hunderte?“, fragte Mel hoffnungsvoll.
„Tausende. Wenn ich etwas von Antiquitäten verstehe.“
Einer der Vorteile, die es mit sich brachte, wenn man Garagenverkäufe, Haushaltsauflösungen und Auktionen zu seinem Hobby machte, war, dass Muriel mit Visitenkarten von Experten und Gutachtern aus aller Welt gewappnet war. Es schien vernünftig zu sein, mit den Experten aus der näheren Umgebung den Anfang zu machen, jedoch gab es keinen Grund zu der Annahme, dass
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