Das Glück wartet in Virgin River
gehabt, dem Haus vor dem heutigen Tag einen Besuch abzustatten.
„Wahnsinn“, sagte Dane und ließ den Blick von der Eingangsveranda bis zum dritten Stock hinaufwandern. Die Farbe blätterte ab, das Holz des Vordachs und Geländers war grau verwittert, die Hausverkleidung ein verblichenes schmutziges Weiß, und auf dem Dach wellten sich ein paar Schindeln. Aber es war ein erstaunliches Gebäude – drei Stockwerke mit Türmchen und dekorativen Holzverzierungen. Die Gartenflächen sahen Anfang September noch immer sehr schön aus. Blumenbeeteumfassten die Eingangsveranda und flankierten den Steinweg. Dichte grüne Büsche wuchsen neben hohen Pinien, Eichen und Ahornbäumen. Man müsste es nur ein wenig auf Vordermann bringen, dann könnte das alte viktorianische Haus fantastisch aussehen. Zu seiner Zeit war es wahrscheinlich einmal ein richtiges Herrenhaus gewesen. „Sieh dir dieses Haus an!“
Dane ließ Lilly hinter sich zurück, denn er konnte nicht schnell genug dieses Haus betreten und sich dort umsehen. Und das galt sowohl für das Verkaufsangebot wie auch die Architektur. Als er schon halb auf der Veranda stand, drehte er sich noch einmal um und sah Lilly fragend an. Lachend schüttelte sie den Kopf und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, er solle weitergehen. Für ihn war dieses Ereignis ein viel größerer Spaß als für sie. Dann entdeckte sie Annie, die auf der anderen Seite des Rasens stand und mit einem Mann sprach, den Lilly nicht kannte. Sie ging zu ihr hinüber.
Bei Annie traf Lilly auch weitere Leute aus Virgin River. Nathaniel gesellte sich zu ihnen, dann Jack Sheridan, der das Bar-Restaurant im Ort besaß und offenbar der Mann war, der für den Nachlass der verstorbenen Frau die Verantwortung trug. Sie wurde Preacher, Noah, Paul und ihren Frauen vorgestellt.
Jemand reichte ihr eine Limonade, und dann schlossen sich ihrer Gruppe zwei weitere Personen an – Walt Booth und seine Freundin Muriel, die Lilly irgendwie bekannt vorkam und die, wie sie hörte, bei der Organisation dieser Verkaufsveranstaltung mitgewirkt hatte. Man sprach davon, dass Hope McCrea im Ort allseits bekannt gewesen und dennoch für viele ein Geheimnis geblieben war.
„In Hope steckte so viel mehr, als man auf den ersten Blick vermutet hätte“, sagte Muriel. „Wir haben in ihrem Haus einige wertvolle Kunstwerke gefunden, die wir einem Auktionshaus übergeben haben, und aus den Gemälden lassen sich ein paar Geschichten ableiten. Eine Künstlerin, deren Hinterlassenschaft heute einen beeindruckenden Katalog im Internet ausmacht, begann hier in dieser Gegend ihre Laufbahn als Aquarellistin. Sie lebte damals etwas weiter südlich von hier und tauschte ihreBilder während der Depression gegen Lebensmittel für ihre Familie ein. Hope besaß tatsächlich vier ihrer Gemälde, die inzwischen sehr wertvoll sind. Sie hatte also nicht nur ein gutes Auge für Kunst, sondern hat, schon lange bevor hier überhaupt ein richtiger Ort entstanden war, Nachbarschaftshilfe geleistet.“
Um sie herum ging es zu wie auf einem Jahrmarkt. Kinder ritten auf Ponys oder fuhren in dem kleinen Karussell. Erwachsene saßen mit einem Bier oder Würstchen in der Hand in ihren Gartenstühlen und beobachteten, wie andere Leute ins Haus hineingingen und glücklich mit ihren Fundstücken wieder herauskamen. Lilly hätte nicht sagen können, wie lange sie mit ihren neuen und alten Freunden dort gestanden hatte, vielleicht mehr als eine Stunde, als es geschah.
Sie sah Clay die Zufahrt heraufkommen; er musste weiter unten geparkt haben und den Rest des Weges zu Fuß gegangen sein. Sie genoss es, ihn anzuschauen; es konnte keinen schöneren Mann auf Erden geben.
„Da ist Clay“, sagte Annie zu Nathaniel. „Hast du gewusst, dass er vorhatte zu kommen?“
Nathaniel lachte und antwortete, den Blick auf Lilly gerichtet: „Ich bezweifle, dass er wegen der Antiquitäten hier ist.“
Lilly hörte sie kaum; ihre Lippen umspielte ein leichtes Lächeln. Sie wusste, dass er nicht zum Einkaufen gekommen war, und es war eine so schöne Überraschung.
Clay entdeckte sie, winkte, lächelte und ging weiter auf Lilly zu. Er trug Jeans und Stiefel; nur selten sah man ihn einmal in anderer Kleidung. Auch sein Hemd war aus Jeansstoff, an seinem Hut steckte die Adlerfeder, und er trug seine Haare offen. Ein Teil davon war ihm über die Schultern nach vorne gefallen, während der Rest über seinen Rücken floss.
„Gut, dass er da ist“, sagte Nathaniel. „Dann
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