Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
Vom Netzwerk:
ein Sonntag.
    Gegen Mittag füllten sich die beiden Gasthäuser, und das Bier wurde weggetrunken, als würde es kostenlos ausgegeben. Für die Burschen und Männer schienen die goldenen Zeiten gekommen zu sein, und die Holzhauer und Sägearbeiter, die Bauernsöhne und Knechte setzten beim Kartenspiel hohe Summen um. Über die Tische hinweg wurde in knappen Andeutungen gehandelt und geschachert, Kronen gewechselt und Ware ausgetauscht. Die Arbeitslosigkeit machte niemandem Kummer, man hatte nun Zeit für einträglichere Geschäfte. Dabei war hinter allem Reden und Tun das Schweigen und Mißtrauen, und keiner fragte den anderen, welche Wege er in den Nächten ginge und woher er das viele Geld hätte. Zu merken war nur, daß sie in kleinen Gruppen, so wie sie an den Tischen saßen, zusammengehörten.
    In der Küche des Reibenwirtes hatte sich der Christian Weber aus der Stadt heimisch gemacht, saß bei seinem Bruder, dem Holzhauer, im Tischeck, bestellte aus der Gaststube Burschen und Männer zu sich, gab Ware aus und kassierte, wechselte tschechisches Geld in deutsches und gab flüsternd Aufträge. Der Wirtssepp hatte zu tun, das Bier auszugeben und auf das zu horchen, was an den Tischen gesprochen wurde. Seinen Augen entging nichts. Wo er sich in die Gespräche einschaltete, galt nur sein Wort: er rügte und warnte die Schwätzer und die Betrunkenen, und wenn er drohte, wurden sie alle stumm. Daß am Vormittag, wenn der Gendarm Schneider aus der Stadt kam und sich im Ort umsah, seine Gaststube leer war, dafür sorgte er geflissentlich und gab vor dem Mittag kein Bier aus. Seit kurzem kehrten ab und zu auch Grenzer in Stinglreut zu. Dann taten die Wirtshausbesucher, als hätten sie weder Geld noch Zeit und verdrückten sich, und der Christian Weber verschwand in der oberen Stube des Reibenwirtes, bis die Luft wieder rein war. Nicht selten kam nun auch die Grenzstreife zu den Häusern der Gschwend und auf die Guglwies, und als sie einmal zwei halbwüchsige Burschen droben an der Grenze mit geringer Ware faßten und festnahmen, folgten in Stinglreut einige ergebnislose Haussuchungen. Auf welche Weise das Schmuggelgut von der Stadt in das hinterste Dorf unter den Grenzhöhen gelangte, blieb ein Rätsel.
    Fuhrwerke wurden angehalten und kontrolliert, Fußgänger mit Rucksäcken gefilzt, man fand keine Anhaltspunkte für einen größeren Warenverkehr. Die Streifengänge der Grenzpatrouillen machte man nicht mehr regelmäßig, sondern zu den verschiedensten Zeiten, doch auch das brachte keinen Erfolg. Dabei konnte man sich an den Fingern abzählen, daß Tag und Nacht Dutzende von Burschen und Männern auf den verschiedensten Schleichwegen über die Grenze gingen und sie meist nur aus dem naheliegenden Stinglreut kommen konnten.
    Wenn der Gendarm Schneider seinen täglichen Dienstgang von der kleinen Waldstadt in das Tal nach Stinglreut hinauf machte, überholte er am frühen Vormittag meistens die Botin, die in diesen Wochen nicht wie früher wöchentlich zweimal, sondern nun täglich unterwegs war. Nicht selten ging er ein Stück mit der einfachen, redseligen Frau, und oft schon hatte es ihn gelüstet, einmal in ihren großen Buckelkorb zu sehen. Nur die Spitzen der Brotwecken, die oben aus dem Korb sahen, hielten ihn davon ab, denn was sollte unter den langen Brotwecken noch Platz haben! Er verschmähte es aber nie, sich ein wenig mit der Botin zu unterhalten und die Frau des Holzhauers Weber, die er für etwas beschränkt hielt, auszufragen.
    Die Tage gingen auf Allerheiligen, und der Teufelsbach, der neben der Straße von Stinglreut herunterkam, hauchte eine feuchte Kälte aus. Die Holzschuhe der Weberin klapperten auf dem harten Sträßlein dahin, und sie hatte die Hände fest um die Traggurte des Buckelkorbes gefaßt und ging etwas vornübergebeugt ihres Weges. Als ihr der Gendarm nachkam, wünschte sie ihm mit einem einfältigen Lächeln einen guten Morgen.
    »Na, Weberin, wird bald der Winter kommen«, begann er freundlich das Gespräch.
    »Ja, Herr Wachtmeister, wird ein harter Winter werden. Niemand hat eine Arbeit, und das bisserl Unterstützung —«
    »Na, ein bissel was verdienen Sie sich ja mit dem Brottragen«, meinte er.
    »Ach, die paar Pfennige.«
    Mit einem Seitenblick musterte er ihre Last. Dicht gedrängt sahen die Weckenzipfel über den Korbrand.
    »Ist ja ein Glück für euch, daß ihr so nahe an der Grenze wohnt. Ein kleines Geschäft läßt sich da heute immer wieder machen«, sagte der Gendarm

Weitere Kostenlose Bücher