Das Gluecksarmband
die Art und Weise, wie du von deiner Adoption erfahren hast, war schrecklich für dich. Ich war sehr böse auf mich, weil ich damals so damit rausgeplatzt bin.»
«Du hast dich in der Hitze des Gefechts verplappert», sagte Molly. «Das weiß ich.» Doch es bestand kein Zweifel, dass der Streit damals eine tiefe Kluft zwischen ihr und ihrer Mutter aufgerissen hatte und sie sich nur langsam wieder angenähert hatten.
«Egal, es war völlig verkehrt. Aber ehrlich gesagt, ich habe eine ganze Menge verkehrt gemacht.» Eileen lächelte schwach. «Das wird dir ähnlich gehen, wenn du Mutter bist.»
«Es tut mir leid, dass ich mich nie in deine Situation hineinversetzt habe – bis jetzt. Es tut mir so leid, Mom.»
«Du hast also in all den Jahren nicht nach ihr gesucht?», fragte Eileen. «Auch nicht, als du dachtest, sie würde dir die Anhänger schicken?»
Molly schniefte. «Nein. Vielleicht hat etwas in mir gewusst, dass sie es nicht sein konnte, aber wie du eben gesagt hast, ich wollte nicht, dass keine Anhänger mehr kommen …»
«Ach, ich werde dir immer etwas schicken, Kindchen», sagte Eileen. «Du erstaunst mich einfach jedes Mal wieder mit deiner Unverwüstlichkeit und deiner Kraft. Jetzt wisch dir die Tränen ab, und dann mach doch mal die Schachtel auf.»
Nach einem letzten Schniefen löste Molly sich von Eileen. Sie lächelte. «Okay, meine gute Fee.»
Mit flinken Fingern wickelte sie die kleine Schachtel aus, und als sie sah, was sie enthielt, grinste sie mit feuchten Augen. «Oh, ist die schön», flüsterte sie, als sie die winzige silberne Taube herausnahm.
«Die Taube ist ein Symbol der Hoffnung, und ich habe gedacht, dass du gerade heute vielleicht Hoffnung gebrauchen kannst. Ich hatte sie eigentlich zur Geburt des Babys besorgt, denn als junge Mutter – leibliche Mutter oder nicht», fügte Eileen mit einem Lächeln hinzu, «hat man leicht das Gefühl, dass alles zu viel wird. Ganz schnell wird einem bewusst, was für eine große Aufgabe man da vor sich hat und man fühlt sich nur zu leicht überfordert. Wahrscheinlich geht es dir schon jetzt so, weil es gerade so aussieht, als würde die Welt auseinanderbrechen. Aber das tut sie nicht, und das wird sie niemals tun, solange du Hoffnung hast.»
34
G reg flitzte auf dem Fahrrad durch die Stadt. Er schlängelte sich durch den starken Verkehr, der die Straßen Manhattans verstopfte.
Während er durch den schmutzigen Schneematsch steuerte, tat er sein Bestes, um nicht wegzurutschen und zu stürzen. Nach etwa einer Viertelstunde erreichte er die Galerie.
Nur um festzustellen, dass sie geschlossen war.
«Mist», zischte er, während er hineinlugte. Der Raum war dunkel, bis auf ein kleines Licht irgendwo ganz hinten.
Greg versuchte sein Glück, stellte das Fahrrad ab und pochte ans Fenster. Konnte ja sein, dass Gennaro doch da war.
Nichts geschah. Greg machte einen neuen Versuch und klopfte mehrmals hintereinander laut – immer noch nichts. Er zog sein Handy aus der Tasche und scrollte die Nummern durch. Als er bei Gennaro ankam, drückte er auf den grünen Hörer und wartete darauf, dass die Verbindung zustande kam.
Doch er wurde sofort auf die Mailbox umgeleitet.
Und jetzt?, fragte er sich.
Doch da öffnete sich schwungvoll die Eingangstür. Greg war so überrascht, dass er zusammenzuckte. In der Erwartung, seinen Freund zu sehen, drehte er sich zum Eingang, aber in der Tür stand eine zierliche Frau mit langem schwarzem Haar und mandelförmigen Augen. Sie war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Greg erkannte sie sofort – es war Gennaros Assistentin Sofia.
«Kann ich Ihnen helfen?», fragte sie ungeduldig. «Die Galerie ist geschlossen.»
«Sofia, stimmt’s? Hi. Ich bin Greg Matthews. Gennaro hat in der Vergangenheit Arbeiten von mir ausgestellt, und –»
«Gennaro ist nicht da», unterbrach sie.
«Ja, das habe ich mir gedacht. Ich habe eben versucht, ihn anzurufen, und –»
«Er ist nach Barbados geflogen. Am vierundzwanzigsten. Mit irgendeiner
Frau
.»
Sofia hielt offenbar nichts von diesem Ausflug. Greg überlegte kurz, ob Gennaro ursprünglich vielleicht ihr die Reise nach Barbados versprochen hatte, dann aber mit einer anderen geflogen war. Was Frauen anging, schien der Geschmack seines Freundes sich täglich zu ändern, und Greg fragte sich, wie viele Verehrerinnen Gennaro wohl immer in Reserve hatte.
«Ich habe neulich mit ihm gesprochen, aber von Barbados hat er nichts gesagt.»
Sofia prustete verächtlich.
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