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Das Gluecksarmband

Das Gluecksarmband

Titel: Das Gluecksarmband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Greene
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anzüglich an.
    «Hi, mein Spatz», begrüßte ihr Vater sie ruhig und stützte sich mit dem ganzen Gewicht auf die Theke. Er schaute dem jungen Mann direkt in die Augen und sagte: «Was für ein Glück, dass meine Tochter so gerne vorbeikommt, um ihrem armen alten Vater zu helfen.»
    Molly hätte ihren Vater niemals als arm und alt bezeichnet. Er war ein Schrank von einem Mann, etwa eins fünfundachtzig groß, mit breiten Schultern und kräftigem Kinn. Nun schob er dem plötzlich nervös wirkenden Jüngling die Farbdose über die Ladentheke. «Viel Vergnügen damit!», sagte er fröhlich, während der Typ eilig das Weite suchte.
    Als die Ladentür wieder zu war, brach Molly in Tränen aus. Gleich darauf spürte sie, wie ihr Vater sie in seine starken Arme schloss. «Pssst, so schlimm kann es doch gar nicht sein, Spätzchen.»
    Als Molly sich schließlich so weit beruhigt hatte, dass sie ihm erzählen konnte, was geschehen war, drehte er das Schild an der Tür auf «Geschlossen» und machte ihr eine Tasse Kaffee mit einem Spritzer Whisky, sein Irish Coffee für schlechte Tage, wie er dieses Getränk nannte.
    «Weißt du, wo ich herkomme?», fragte er sie sehr ernst. «Weißt du das eigentlich, Molly?»
    Sie zuckte trotzig mit den Schultern.
    «Wo bin ich geboren?»
    «In Irland, Dad, in Dublin», seufzte sie.
    «Ja, aber wo da?», bohrte er nach.
    Jetzt war Molly hellwach. «Im Bett von deiner Mutter, in den Liberties.» Sie wusste nichts über dieses Stadtviertel, aber der Name klang so, als könnte man dort eine sorglose Kindheit verleben.
    «Ja.» Seamus nickte traurig. «Ich wurde von einer Frau geboren, die ein weiteres Baby so überflüssig fand wie einen Kropf. Meine ältere Schwester saß draußen auf der Vordertreppe und hielt sich die Ohren zu, während meine Mutter ihre Qualen in die Welt hinausschrie.»
    Molly schaute ihren Vater an. Sie kannte die Geschichte von der Hausgeburt, aber dass er ein unerwünschtes Kind gewesen war, hatte er nie erzählt. Seamus stammte aus einer großen katholischen Familie, wo zahlreiche Kinder unvermeidlich waren – niemand beklagte sich darüber.
    Er zog Molly dichter an sich. «Molly, meine Mutter hat mich zwar geboren, aber sie hat mich kaum eines Blickes gewürdigt. Solange ich bei ihr gelebt habe, hat sie nie mehr als zwei Worte zu mir gesagt. Mit fünfzehn bin ich dann weggegangen.» Auch diese Geschichte hatte Molly schon oft gehört, aber sie hatte immer angenommen, ihr Vater sei in so jungen Jahren nach New York ausgewandert, weil er einfach widerspenstig und aufmüpfig gewesen war.
    «Als ich zum Schiff nach Amerika aufbrach, hat meine Mutter nur gesagt: «Viel Glück.» Mehr nicht, nicht einmal meinen Namen. Ich glaube, in all den Jahren, die ich bei meiner Familie in den Liberties verbracht habe, habe ich meine Mutter kein einziges Mal meinen Namen sagen gehört.»
    «Ach, Dad.» Plötzlich war Molly es müde, mehr zu erfahren, als ihrem Alter angemessen war.
    «Damit möchte ich nur sagen», fügte Seamus hinzu und drückte sie noch einmal fest an sich, «wir werden alle geboren, das ist die natürlichste Sache der Welt. Aber dass uns jemand liebt und bei sich haben will – das ist nicht selbstverständlich.»
    Während Molly jetzt durch die verschneiten Straßen New Yorks stapfte, beobachtete sie ihren Sohn, wie er vorausrannte, auf sie wartete und wieder lossauste, als sei er ein Hengstfohlen, das testete, wie weit es sich von der Mutterstute entfernen konnte. Molly behielt ihr Tempo bei und ließ ihm die Freiheit, fortzulaufen und zurückzukommen, sooft er wollte. Es war gar keine Frage, dass zumindest sie Danny gewollt hatte und ihn liebte wie ihren Augapfel.
    Sie erreichten die Twenty-Third Street. Inzwischen kamen immer mehr Menschen aus den Häusern, um Kaffee, Zeitungen und frisch gebackene Köstlichkeiten zu ergattern. Danny hatte sich von einem wilden Schneeballwerfer in einen schlurfenden, bibbernden Zehnjährigen verwandelt. Molly schob ihren Arm unter seinen. «Komm, wir nehmen den Bus bis Madison und steigen dann nach Uptown um, ja?»
    Er nickte. «Wo fahren wir denn hin?»
    «Also», sagte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln, «wir wollen ein Rätsel lösen.» Sie wusste, dass das seine Phantasie anregen würde.
    In der Nähe der Fifth Avenue sprangen die beiden aus dem Bus und machten sich auf den Weg zu Tiffany. Vor dem Laden angekommen blieb Molly stehen, um die kunstvolle Schaufenstergestaltung zu bewundern.
    «Wir gehen also in ein

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