Das Gluecksarmband
Deckenlampe aus und setzte sich wieder zu Molly auf das Sofa. Fasziniert betrachteten sie ihren frisch geschmückten Christbaum.
«Warum haben wir eigentlich bisher nie einen Tannenbaum gehabt?», fragte Danny. Die kleinen Glühbirnen strahlten sein junges Gesicht an.
Molly trank einen Schluck Tee und dachte darüber nach. Wenn sie ehrlich war, hatte sie so einen Baum immer für Männersache gehalten. Zu Hause hatte ihr Vater ihn aufgestellt. Und als sie Nick verlassen hatte, war ihr sowieso nicht danach zumute gewesen, Weihnachten zu feiern. Nach Dannys Geburt hatte ihre Mutter sich dann eingeschaltet und sie über die Feiertage immer nach Queens eingeladen.
«Ich weiß nicht», antwortete Molly. «Gute Frage.»
«Können wir das jetzt jedes Jahr machen?», fragte Danny. «Egal, ob wir zu Nana fahren oder nicht?»
«Ja», antwortete Molly bestimmt, «das machen wir. Auf jeden Fall. Ich glaube, das war deine allerbeste Idee bisher.»
Danny kuschelte sich an sie, und so saßen die beiden auf dem Sofa, glücklich im Lichterschein und in der Gesellschaft des anderen.
«Und als nächstes kommt ein junger Hund», sagte Danny grinsend, und Molly versetzte ihm spielerisch einen Stups mit dem Ellbogen.
19
R aschen Schrittes gingen Molly und Danny am nächsten Morgen zu seiner Schule. Oder nein, Molly ging raschen Schrittes, während Danny hinterhertrödelte. Sie vermutete, dass so kurz vor Weihnachten die meisten Schüler keinen Bock mehr hatten. Die Ferien nahten, und die Kinder konnten sich kaum noch zu einem weiteren Schultag überwinden.
«Los, Danny, du kommst zu spät, und ich schreibe dir keine Entschuldigung.» Molly eilte weiter, ohne sich umzudrehen, denn sie selbst würde sonst auch zu spät kommen – mal wieder –, daher musste Danny jetzt einfach mithalten. Sie hörte ihn hinter sich ein bisschen murren, aber als sie sich dem Schultor näherten, stieß er plötzlich einen Freudenschrei aus.
«Dad?»
Molly spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Gut verpackt in einer dicken North-Face-Jacke saß Nick auf der Treppe eines Nachbargebäudes der Schule. An seiner Unterlippe klebte eine Zigarette.
Mit klopfendem Herzen ließ Molly ihren Sohn vorlaufen, damit er seinem Vater um den Hals fallen konnte. Über Dannys Kopf hinweg, der jetzt in der Daunenjacke vergraben war, schaute Nick sie verlegen an.
«Was, du rauchst, Nick? Vor einer Grundschule?» Molly war nicht bereit, ihre Zeit auf eine förmliche Begrüßung zu verschwenden.
«Ach, sorry, hab ich vergessen.» Er drückte die Zigarette aus und sah sie mit dem «Bist du jetzt zufrieden?»-Blick an, den sie so hasste. Sie fühlte sich dann immer wie eine nörgelnde Xanthippe.
«Also, was führt dich her?», fragte sie ruhig.
«Ich möchte meinen Sohn sehen, was denn sonst? Hey, Kumpel!» Nick boxte Danny in die Schulter, und der Junge strahlte. Molly seufzte. Natürlich freute er sich, seinen Vater zu sehen; er freute sich jedes Mal. Das Problem war nur, dass er dann später, wenn Nick ihn wieder im Stich ließ, wütend auf ihn war.
«Danny muss jetzt reingehen – sonst kommt er zu spät, es hat schon geläutet.» Molly deutete auf die Kinder, die in Reih und Glied ins Schulgebäude gingen.
«Muss er heute denn wirklich hin? Ich habe einen freien Tag …» Nick sah, wie ihr Gesicht sich verfinsterte, und fügte rasch hinzu: «Ich weiß, ich weiß, ich hätte anrufen sollen, ja, ja, aber irgendwie hat sich das erst in letzter Minute ergeben.»
Danny schaute seine Mutter hoffnungsvoll an.
«Kommt nicht in Frage, auf keinen Fall. Er schreibt in dieser Woche noch Tests.» Ihre Stimme wurde weicher, als sie auf Danny hinuntersah. «Sorry, mein Schatz, aber du weißt doch, dass du hingehen musst.»
Nick kratzte sich den Kopf. «Okay, aber wie ist es nach der Schule? Kann ich ihn abholen?» Molly konnte seiner Stimme die Anspannung anhören.
Sie kapitulierte. «Also schön.» Danny machte einen Freudensprung.
«Danke, Mom!» Er schmatzte ihr ein Küsschen auf die Wange und boxte seinen Vater in den Arm. «Bis nachher. Drei Uhr, ja?»
Nick bestätigte das mit einem Nicken, und Danny sprintete die Straße entlang. Er erreichte das Schultor gerade noch, bevor es geschlossen wurde.
Molly musterte Nick prüfend. Wo kam auf einmal dieses Interesse an Danny her?
«Was ist denn los, Nick?»
«Nichts, ich wollte bloß Danny sehen – wo es jetzt doch Ferien gibt und so.»
«Weißt du, für ein Kind ist auch ein zehnter Geburtstag wie
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