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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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in dem nachts ein Wachmann saß und sich langweilte. Oder schlief. Gleich dahinter mündete der Pfad auf den Bürgersteig der Bahnstraße, dessen Anrainer das Amt war. Es gab sogar einen kleinen Schlagbaum, der die Grenze markierte und der nur nachts heruntergelassen wurde.
    Der Schlagbaum.
    Ab hier entfaltete sich das, was er von den Fenstern aus kaum noch sehen konnte. Und so aus der Nähe betrachtet, erschien ihm alles riesig und bedrohlich. Und das war erst der Anfang. Was würde jenseits der ersten Fassaden warten? Was käme nach der ersten Kreuzung? Das kannte er doch alles nicht mehr! Schon mit dem ersten Schritt vom Dienstgelände herunter schwand sein ganzer Mut dahin. Seine Schritte wurden unsicher, seine Schulter zog sich wie von ganz alleine hoch, und seine Finger nestelten nervös an seinen Sakkoknöpfen herum.
    Autos rasten vorbei. Albert war überrascht über die Lautstärke und den offensichtlichen Suizidtrieb der Fahrer. Die fuhren ja mindestens 50   Kilometer die Stunde! Für jemanden, der die letzten Jahrzehnte immer nur zu Fuß gegangen war, war dies nahe an der Schallgeschwindigkeit. Lkws waren die Hölle! Eine Lärmentwicklung, die das menschliche Ohr zerstören konnte, der Boden zitterte unter ihrer Last und die Abgase verpesteten die Luft.
    Alles war rasend schnell.
    Albert hatte die Welt viel langsamer in Erinnerung. Die Menschen auf den Bürgersteigen hasteten vorbei, niemand grüßte, niemand sagte ein Wort. Es gab eine Bäckerei ohne Verkäuferin! Kunden luden sich ihre Lebensmittel selbst auf ein Tablett und zahlten an der Kasse. Sogar das Brot mussten sie selbst schneiden! Viele andere aßen während des Gehens. Niemand schien mehr Zeit zu haben, sich hinzusetzen und Messer und Gabel zu benutzen. Nicht mal Kaffee trank man im Sitzen.
    Gar nicht weit entfernt vom Amt gab es sogar ein Fachgeschäft für Erotikartikel mit sehr, sehr eindeutigen Angeboten im Schaufenster. Da konnte man ja primäre und sekundäre Geschlechtsteile sehen! Und das direkt an einer belebten Einkaufsstraße, wo Mütter mit ihren Kindern entlanggingen. Albert war so beschämt, dass er so tat, als hätte er das gar nicht bemerkt.
    Genauso wie die vielen Spielhallen, die überall lockten. Albert wusste aus dem Fernsehen, dass dort überwiegend zwielichtiges Gesindel hockte, aber dass so ein Betrieb mitten in der Stadt möglich war? Wieso duldete die Allgemeinheit so etwas? Was war denn aus den guten alten Sperrbezirken geworden?
    Er erreichte eine der Hauptkreuzungen, auf der der Verkehr in kurzen, gewaltigen Eruptionen an den Ampeln ausbrach oder wie eine Ziehharmonika zusammengeschoben wurde, je nachdem, welche Farbe die Ampel zeigte. Die Luft war hier grau vor Staub und schmeckte auch so. Die pure Motormasse, der Krach, der sich wie schmutzige Bugwellen von Hochseetankern durch die Häuserschluchten wälzte, lähmten jede Empfindung und jeden Gedanken an etwas Schönes. Wer hier lebte, hatte kaum eine Chance auf ein Leben in Farbe.
    Immerhin: Albert hatte sich gut vorbereitet, denn eingeschüchtert, wie er im Moment war, hatte er das dringende Bedürfnis, nach Hause zu laufen. So aber wusste er, dass die Haltestelle für den Bus, der zu Anna Sugus fuhr, ganz in der Nähe war und er die Linie vier nehmen musste.
    Was für eigenartige Bushaltestellen! Ganz aus Glas und Stahl. Dazwischen riesige Werbeplakate und ein Fahrplan, den Albert nicht verstand. Die Häuschen früher waren nicht so komfortabel gewesen, aber auch nicht so kalt in ihrer Ausstrahlung. Niemand wartete außer ihm, was Albert sehr begrüßte, und so versuchte er, durch bewusstes Ein- und Ausatmen zu entspannen.
    Die Vier kam schneller als gedacht, was durchaus wörtlich zu nehmen war, denn der riesige Kastenbus raste heran, bremste hart und kam zwei Meter hinter Albert erst zum Stehen. Auch das hatte es früher nicht gegeben: Busse hielten immer dort, wo die Menschen auf sie warteten.
    Er stieg ein.
    Da stand er nun und sah den Fahrer an. Der schloss die Tür hinter ihm, legte einen Gang ein, ohne Albert auch nur eines Blickes zu würdigen, und war im Begriff, sich wieder in den Verkehr einzuschlängeln, als Albert deutlich sagte: »Einmal Wertbergstraße 24, bitte.«
    Verdutzt trat der Fahrer auf die Bremse und starrte ihn an: »Wie bitte?«
    »Einmal Wertbergstraße 24, bitte«, wiederholte Albert und kramte sein Portemonnaie hervor.
    »Fahrkarten gibt’s da!«, blaffte der Fahrer unfreundlich und nickte nach draußen. Dort stand ein

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