Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
Vom Netzwerk:
Schreibtisch und machte keine Anstalten, sich in Luft aufzulösen.
    Schließlich fragte Wehmeyer: »Warum heften Sie ihn nicht einfach ab?«
    »Das kann ich nicht.«
    »Geben Sie her: Ich hefte ihn ab.«
    Er griff nach dem Antrag, doch Albert legte die Hand darauf. »Vielleicht hätte ich da eine Lösung …«
    »Hervorragend. Lösen Sie!«
    Wehmeyers Gesicht hatte sich aufgehellt. Fast wäre er aufgesprungen, aber er machte nur einen kleinen Hopser auf seinem Schreibtischstuhl und wandte sich wieder seinem Computer zu. Gut gelaunt begann er zu tippen, sah aber in den Augenwinkeln, dass Albert keine Anstalten machte, sein Büro wieder zu verlassen. Und so sehr er es auch zu ignorieren versuchte, so wenig gelang es ihm: Albert saß da und starrte ihn an.
    »Ja?«, fragte er und wandte sich Albert wieder zu.
    »Wir könnten einen Außendienstmitarbeiter beauftragen herauszufinden, was Frau Sugus will.«
    Wehmeyer seufzte und ließ sich in seinen Schreibtischstuhl zurückfallen: »Wie lange arbeiten Sie jetzt hier, Herr Glück?«
    »Sehr lange.«
    »Dann müssten Sie doch eigentlich wissen, dass wir seit zehn Jahren aus Kostengründen keine Außendienstmitarbeiter mehr haben.«
    Albert nickte: »Das weiß ich. Ich dachte, wir könnten vielleicht um Amtshilfe bitten. Bei einer Behörde, die noch Außendienstmitarbeiter hat.«
    Das war der Moment, von dem an das Gespräch einen für Albert fatalen Verlauf nahm, denn Wehmeyers Gesichtsausdruck ließ nichts anderes vermuten, als dass er glaubte, Albert hätte den Verstand verloren. Er sagte: »Ich habe eine bessere Idee.«
    Albert klopfte sich zufrieden mit den Handflächen auf die Oberschenkel: »Wunderbar.«
    » Sie werden Frau Sugus aufsuchen.«
    Albert riss die Augen auf: So musste sich ein Herzstillstand anfühlen. In seinen Ohren rauschte es, während sich das Büro zu drehen begann. Schmerzen hatte er keine, nur das wohlige Gefühl, auf etwas zuzufliegen, was Wärme und Geborgenheit versprach. Und ewiges Glück.
    Ein paar Sekunden brauchte er, um zu realisieren, dass er außerdem aufgehört hatte zu atmen, woraufhin er reflexartig nach Luft schnappte und gleichzeitig kiekste: »Ich?«
    »Ja, Sie.«
    Plötzlich war das Gefühl der Wärme, der Geborgenheit und des ewigen Glücks schlagartig verschwunden. Stattdessen spürte er so etwas wie die dumpfe Stille nach einer gewaltigen Detonation. Rasch hob er abwehrend die Hände: »Das geht nicht!«
    »Natürlich geht das!«, beharrte Wehmeyer. »Sie fragen Frau Sugus, was sie beantragt. Und dann sind wir alle ein bisschen schlauer.«
    Albert suchte nach Argumenten, nur dass ihm keine einfielen. Keine, die sinnvoll gewesen wären. So sagte er schwach: »Wirklich, Herr Wehmeyer, ich bin dafür nicht der richtige Mann …«
    »Sie machen das! Ist quasi eine Dienstanweisung.«
    »Eine Dienstanweisung?«, rief Albert entsetzt.
    »Ja, dann kommen Sie mal ein bisschen an die frische Luft. Sie sehen ohnehin aus, als wären Sie seit Jahren nicht mehr in der Sonne gewesen.«
    Er stand auf und gab Albert demonstrativ die Hand, um das Gespräch schnell zu beenden, bevor Albert ihm mit weiteren Ausreden kommen konnte.
    »Wiedersehen, Herr Glück. Und: viel Glück!«
    Überrascht über das eigene Wortspiel kicherte Wehmeyer vergnügt und setzte sich dann wieder an seinen Computer. Einen Moment lang stand Albert völlig erstarrt da. Raus? Vor die Türe? In eine Welt, die sich weitergedreht hatte? Die er nicht kannte? Die voller Feinde war? Albert hatte das Amt seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr verlassen. Aber jetzt musste er.
    Und eines stand außer Zweifel: Das war sein sicheres Ende.

DAS GLÜCKSBÜRO

18.
    Viele Jahre hatte er den sich drehenden Propeller gesehen und ihn nie als bedrohlich empfunden. Im Gegenteil: Er zerhackte eine homogene Masse in arbeitsfertige Stückchen und sorgte so dafür, dass alle Büros besetzt werden konnten. Und obwohl die Stückchen einen Moment irritiert herumtaumelten, abgetrennt vom großen Körper, und ihr MOGGGÄÄÄN ! ein wenig wie MAMA ! MAMA ! klang, sah es gar nicht schmerzhaft aus. Es war eher wie ein Kurzabriss der Evolution, in der eine neue Spezies aus dem Meer stieg, heranwuchs und schon am Aufzug alles erlernt hatte, was sie für das Leben brauchte. Und wenn sie gegen 16.00   Uhr zurückkam und FEIERABEND ! rief, da fügte er wieder zusammen, was am Morgen getrennt worden war, und schickte sie ins Meer zurück. Der Propeller war eine gute Sache. Der Propeller war das Leben.
    Doch

Weitere Kostenlose Bücher