Das Glücksbüro
kastenförmiger Automat, den Albert zwar bemerkt, aber dessen Funktion er nicht begriffen hatte. So stieg er aus, in der Annahme, schnell noch eine Karte ziehen zu können, bevor es weiterging, doch kaum hatte er den Bus verlassen, hörte er schon, wie sich die Türen hinter ihm schlossen und der Fahrer Vollgas gab.
Albert sah ihm empört nach.
Auch nach eingehendem Studium durchblickte er den Fahrkartenautomaten nicht, sodass er einfach die teuerste Einzelfahrkarte zog. Die nächste Buslinie vier hielt und kam wieder erst zwei Meter hinter ihm zum Stehen. Albert präsentierte dem Fahrer seine Fahrkarte, doch der nickte nur in Richtung eines weiteren Geräts zum Entwerten. War das die neue Welt? Alles musste man selbst machen: Brot schneiden, Fahrkarten entwerten? Schamlose Erotikauslagen? Schöne, neue Welt war das!
Auch dieser Fahrer wartete nicht, bis Albert einen Sitzplatz gefunden hatte, sondern startete gleich durch, sodass Albert durch den Gang nach hinten schwankte, vorbei an einem Kartenautomaten, wie er auch an der Haltestelle stand. Hier konnte man auch Karten kaufen? Und wieso …? Frustriert brach Albert den Gedanken ab.
Es hatte so schön begonnen, aber jetzt war er am tiefsten Punkt der Hölle angekommen. Dachte er. Da hatte er die hinter ihm sitzenden Jugendlichen noch nicht bemerkt, die Musik auf ihren Handys hörten. Alle drei spielten verschiedene, bassbetonte, quäkige, sinnentleerte, luftverschmutzende, keiner Melodie folgende Musik.
Alles, was Albert jetzt noch tun konnte, war, sich die Hände auf die Ohren zu pressen, sich vorzubeugen, als ob er Magenschmerzen hätte, und auf seine Schuhe zu starren.
19.
Albert stand vor Anna Sugus’ Haus und wusste nicht so recht, was er tun sollte. Sein Auftrag war eindeutig, aber irgendwie hatte er kein gutes Gefühl, als er in den verwilderten Vorgarten blickte, die windschiefe Fassade sah, das verwitterte Dach, die alte Haustür und die mit hübschen weißen Gardinen verhangenen Fenster. Das Ganze sah irgendwie verwunschen aus, und er war sehr weit weg von zu Hause.
Im Bus hatte er sich schon gefragt, ob diese Fahrt wohl jemals enden würde. Wenigstens waren irgendwann die Handyjungs verschwunden, sodass zum Schluss nur noch Albert und der Busfahrer übers Land gefahren waren.
Jetzt befand er sich irgendwo im Nirgendwo. Am Ende eines Dorfes, dessen letztes Haus das der Antragstellerin war. Ein sehr, sehr unordentliches Haus. Auch das trug nicht unbedingt zu Alberts Wohlbefinden bei.
Vorsichtig schob er das rostige Gartentor auf und schlich beinahe schon auf Zehenspitzen zur Haustür. Einen Moment verweilte er vor dem Eingang, lauschte, ob aus dem Inneren vielleicht etwas Verdächtiges zu hören war, dann nahm er sich zusammen und klopfte. Eine ganze Weile passierte gar nichts. Dann jedoch, gerade wollte Albert ein zweites Mal klopfen, flog die Tür auf, und Anna Sugus stand vor ihm.
Er sah sie nur an, und irgendetwas in seinem Inneren begann zu summen, wie eine Saite, die angeschlagen worden war. Ein eigenartiges Gefühl. Als ob Geschirr in einem Schrank tanzen würde, um sich einen neuen Platz zu suchen. Ja, man hätte sagen können, die Tassen suchten den Platz der Nebentasse, und als sie nicht mehr zitterten, als sie wieder ganz still standen, sah es so aus wie vorher, nur dass alles ganz anders war.
Dabei war Anna nicht besonders hübsch, aber auch nicht besonders hässlich, nicht besonders groß oder klein, nicht besonders dick oder dünn. Ihre Haare waren ein wenig unordentlich, aber auch nicht verwahrlost. Im Großen und Ganzen fiel ihr Aussehen nicht besonders auf, aber genau das machte auf Albert besonders großen Eindruck. Das, und ein farbbespritzter Kittel, den sie trug.
Albert räusperte sich und sagte: »Guten Tag, ich komme vom Amt für Verwaltungsangelegenheiten , und ich habe hier einen Antrag.«
Sie sah ihn ein wenig amüsiert an: »Einen Antrag? Was für einen Antrag?«
Albert griff ein wenig zu hektisch in die Innentasche seines Sakkos und entfaltete den Antrag.
»Diesen Antrag hier.«
Er hielt ihn vor sie. Offenbar weckte E 45 kein großes Interesse bei Anna, denn sie blickte nur kurz darauf und fragte: »Und das ist mein Antrag?«
»Ja.«
»Was soll denn das für ein Antrag sein?«
»Nun, Sie werden lachen, aber das weiß ich leider auch nicht so genau …«
Anna lachte nicht.
Das Gespräch lief nicht besonders gut, fand Albert. Überhaupt nicht. Denn dass sie nicht wusste, um welchen Antrag es sich handelte,
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