Das Glücksprojekt
Hundi drückt seinen Kopf an mich.
»Ich dachte, er soll nicht aufs Sofa?«, flüstert L. und lächelt.
»Pschscht«, sage ich und bleibe ganz still liegen, auch als mir der Arm einschläft.
Wir nennen das Tierchen Schmitz. Das ist der einzige Name, auf den es sofort reagiert. Schmitz hat uns inzwischen so weit konditioniert, dass er nachts nur ein knurpsendes Geräusch machen muss und schon springt einer von uns aus dem Bett, zieht den Mantel übers Nachtgewand, schlüpft in die Boots und eilt mit dem Schmitz unterm Arm die Treppen runter. Vom warmen Bett im zweiten Stock auf die Wiese vorm Haus in weniger als 10 Sekunden. Da steht derjenige dann in der matschigen Wiese, es ist saukalt und noch dunkel und Schmitz denkt überhaupt nicht daran, pischern zu gehen, sondern findet jede Menge sauinteressanter Stöcke und Steine, denen er sich widmen muss. Es hat sich einiges geändert bei uns zu Hause:
Statt morgens im Bett den ersten Kaffee zu trinken und mich an den Traum von letzter Nacht zu erinnern, wache ich davon auf, dass Schmitz knurpst. Anschließend: siehe oben. Kaltstart nennt man so etwas, glaube ich. Hoffentlich wird es bald Sommer.
Ich lese eine Zeitschrift, die dogs heißt und 5 Euro kostet. Pro Heft!
Ich führe plötzlich Gespräche, in denen Worte wie »Hundetrainer« und »positive Verstärkung« vorkommen. Und meine Hundehalter-Gesprächspartner finden das vollkommen normal.
Ich habe plötzlich Hunde-Hosen und Hunde-Jacken und Hunde-Schuhe. Und zwar mehr als Nicht-Hunde-Klamotten.
Meine Jackentaschen riechen nach toter Lunge.
Ich habe viele Leute aus unserem Viertel näher kennengelernt. Zusammen morgens um sieben auf einer matschigen Wiese zu stehen, verbindet.
Ich werde beim Ausziehen beobachtet.
Sie meinen, Glück sieht anders aus? Dann sind Sie noch nie aufgewacht und haben direkt in zwei schwarze Hundeaugen gesehen, die Sie erwartungsvoll anschauten. Dann ist noch nie ein Fellknäuel ob Ihrer puren Existenz vor Freude in die Luft gesprungen und wahrscheinlich hat noch kein Schmitz-Verwandter seinen Kopf in Ihre Hand gelegt oder hat Ihnen aufmerksam zugehört und dabei seine Stirn vor Anstrengung in Falten gelegt, ist auf Ihnen eingeschlafen oder hat bei Ihnen Schutz gesucht, wenn es gewitterte. Glauben Sie mir. Hunde machen glücklich.
Der buddhistische Weg zum Glück
Wissen Sie, wer in Sachen Anleitungen zum Glück ganz groß ist? Die Buddhisten. Geahnt habe ich das immer schon – diese entrückten Gesichter in den orangefarbenen Gewändern, die sehen in den Fernsehdokumentationen immer recht glücklich aus. Ich habe mir ein Buch gekauft, das nicht von einem orangefarbenen Mönch geschrieben ist, sondern von einer Schwäbin, und herausgegeben wird es von einem Verlag, der eigentlich auf Kochbücher spezialisiert ist. Ich gehe da ganz nach den Fünf-Punkte-Rezensionen bei Amazon. Wie ein Schaf. Das fand jemand gut, das will ich auch, bähähäh.
Mit dem Buddhismus ist das ein bisschen wie mit Roibuschtee und Yoga: schon schön, nur das Drumherum geht einem auf die Nerven:
Ewig Halberleuchtete, die schon mal einen Meditationskurs gemacht haben und sich diese bunten Gebetsfahnen in den Garten hängen.
PowerPoint-Präsentationen mit tiefsinnigen Sinnsprüchen vor Landschaftsfotos in Aquarelltönen.
Die Musik zu diesen PowerPoint-Präsentationen.
Gurus im Allgemeinen.
Was war noch mal der Unterschied zum Hinduismus?
Wiedergeburt und Nirwana – das erscheint mir unwahrscheinlich. Ich meine, was soll denn eine Schnecke zum Beispiel machen, um Karmapunkte zu sammeln? Eine besonders schöne Schleimspur legen?
Unverständliche Fachsprache, wie zum Beispiel die Kurzeinführung des Dalai Lama in den Buddhismus: »Der das Kontinuum der Gewöhnung bildende Pfad der Meditation geht als eine Frucht der Verwirklichung der Drei Tore der vollständigen Befreiung auf dem Pfad des Sehens mittels der Zurückweisung der Acht Objekte der Verneinung hervor.« (Gyatso 162) – Hä?
Und dann diese penetrante Gutartigkeit. Verständnis und Vergeben und Nachsicht und Gnade und Milde und Geduld und Großzügigkeit und Sanftmut und Nachgiebigkeit und Duldsamkeit und Toleranz und Rücksicht und Entgegenkommen … das geht mir wahnsinnig auf die Nerven.
Auf der anderen Seite ist da dieser kleine Dalai Lama, der in Situationen, die vor Tragweite triefen, recht spitzbübisch in sich hineingiggelt. Und Siddhartha. Manchmal hört man auch etwas aus der Buddhismus-Sprüchesammlung, das man sehr schön findet. Oder sehr
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