Das Glücksprojekt
bis auf den Boden. Wenn wir nur erst eine neue Bleibe gefunden hätten, dann … ja, dann. Aber jetzt nicht. Wir haben uns ein Jahr unseres Lebens versaut mit dem Mist. Inzwischen haben wir ein neues Haus gefunden. Wenn das erst einmal hergerichtet ist, dann …na ja, Sie wissen, worauf ich hinauswill.
Die Falle des Verlangens ist auch, so habe ich das verstanden, dass man blind seinen Impulsen folgt. Wir sind so konzipiert, dass wir die Art erhalten. Dabei hilft es, wenn die Dinge, die dem Überleben dienlich sind, Spaß machen, angenehm sind, und wenn andersherum Dinge wie Schmerzen, Krankheit und Verderben keinen so großen Spaß machen. Wir sind also permanent damit beschäftigt, uns selbst kleinere und größere Annehmlichkeiten zu bereiten. Weil das eben so viel Spaß macht.
So funktioniert das beim Shoppen. Wenn ich mit dem neuen Oberteil in der Tüte den Laden verlasse, erlebe ich ein kurzes Hoch, ein kurzes Glück. Je mehr Tüten, desto Glück. Das lässt leider ziemlich schnell nach und ich möchte das schöne Gefühl wiederholen, so fängt die Kaufsucht an. Wir verhalten uns dann wie ein Eichhörnchen, das permanent Nüsse bunkert, auch wenn es schon zu viele hat.
Unter die Begehrlichkeiten fällt auch das Streben nach Glück, was meinem Plan jetzt ganz schön im Wege steht, finde ich. Okay, denke ich, dann eben so: Ich versuche nicht, das Glück zu bekommen (Verlangen), sondern ich bereite einen besonders guten Nährboden für sprießende Glücksmomente – das müsste doch durchgehen? Ja?
Mithilfe der Achtsamkeit (die ich ja so glänzend trainiert habe) soll ich nun merken, wann sich so ein Nüsschen-Programm bei mir auftut. Das ist leicht, denke ich. Ich gehe mal eben bei meinem Lieblingsschuhgeschäft vorbei, da werde ich das Gefühl Verlangen recht deutlich bemerken.
Schwierig hingegen wird es, das gierige Haben-Müssen von den ganz normalen Bedürfnissen zu unterscheiden: Will ich die Butterbreze jetzt, weil ich Hunger habe oder weil sie mich so hübsch anlacht und eine kleine Befriedigung verspricht? Und welche Auswirkungen hat der Versuch auf meine Pralinenration? Ich soll mich auf das Wesentliche konzentrieren, heißt es. Leicht gesagt.
Ich erwische mich in den folgenden Tagen:
mehrmals vor Schaufenstern stehend (Miu Miu, Zara, Vialis, Palmers und Jolie, einem kleinen Juwelier),
in der Bäckerei vor der Pralinenauslage, mit Wasser im Mund,
bei einem Tagtraum von der Sorte »Wenn ich viel Geld hätte, dann …«,
in der Drogerie vor dem Regal mit den Cremes und dem Schminkzeug,
vor einem Restaurant, das so eine verlockende Speisekarte draußen hängen hatte,
mit einem Prospekt von Vodafone in der Hand, die mir ein tolles, neues Handy versprechen, wenn ich zu ihnen überlaufe.
In diesen Situationen bemerke ich ein Verlangen. Weiß der Henker, wie oft ich es nicht bemerke, sondern einfach nachgebe, ohne zu überlegen. Bei Produkten stelle ich fest, dass sich das Bedürfnis, etwas zu haben, steigern lässt, wenn ganz viele gleiche Produkte beisammenstehen. Als wir an einem Porsche-Händler vorbeifahren, wo ein Flitzer neben dem anderen geparkt ist, würde ich am liebsten meine Hand ausstrecken und einen davon mitnehmen. L. geht es im Baumarkt vor einem Regal mit Bohrmaschinen ähnlich. Er streichelt sie sogar!
Jemand, der Buddhismus praktiziert und Wörter wie »Dhammapada«, »Upakkilesa Sutta«, »Balapandita Sutta« und »Vibhanga-Vagga« richtig aussprechen kann oder sogar weiß, was sie bedeuten, wird über meine Beobachtungen vermutlich herzlich lachen und sich mit den Händen auf die Schenkel klopfen. Für mich hingegen sind das ganz neue Erfahrungen – für die Verkäuferin in der Konditorei auch, die mir interessiert dabei zusieht, wie ich vor den Pralinen mit wehmütigem Blick zur Salzsäule erstarre, um sie dann freundlich anzulächeln und wieder zu gehen. Vielleicht werde ich keine orangefarbene Wanderasketin, aber ich passe besser auf, was ich wirklich brauche und was eigentlich nicht nötig ist. Und ich bin sehr achtsam, wenn ich mir hin und wieder eine Praline aussuche und sie langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen lasse.
Hindernis 2: Ablehnung
Ablehnung oder Hass bringt niemandem was und ist in Sachen Glück kontraproduktiv. Das sehe ich ein, das klingt logisch. Ich überlege, wann bei mir Ablehnung oder Hassgefühle aufsteigen:
Wenn sich im Kino jemand Größeres vor mich setzt.
Wenn im Kino jemand Popcorn isst oder Strohhalmgeräusche macht.
Wenn sich im Kino
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