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Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
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Lebensumstände und unseren Charakter zu beurteilen? Das machen die echt! Und dann schicken sie noch jemanden zur Kontrolle vorbei, unangemeldet natürlich.
    An diesem Abend versuche ich mit L. zumindest pro forma ein paar Argumente für und gegen einen jungen Hund aus dem Tierheim zu diskutieren, aber er ist nicht recht bei der Sache, weil er nebenbei die Fotos vom Hund auf seinem Handy betrachtet und an Freunde verschickt.
    »Ihr müsst auf jeden Fall sagen, ihr habt einen Garten, einen Bauernhof, andere Hundekumpel und es ist immer jemand zu Hause. Außerdem ist einer von euch fanatischer Spaziergänger und ihr habt jahrelange Hundeerfahrung. Sagt, ihr wollt in eine Hundeschule mit dem Hund und habt die nächsten 15 Jahre nichts vor, außer spazieren zu gehen. Und ihr verdient gut! Falls mal eine Nierentransplantation ansteht oder so was.« Das rät meine Freundin Meike, die hat ihren Hund aus dem Tierheim und ich kann mich erinnern, dass sie damals ziemlich geflucht hat, weil man es ihr gar so schwer machte.
    Puh. Ich finde an diesem Punkt eine Anzeige in der Lokalzeitung recht verlockend:
    Junge Kätzchen abzugeben
    Die machen bestimmt nicht so ein Gehühner. Aber als ich L. auf die Anzeige aufmerksam machen will, sitzt er vor seinem Computer und richtet gerade ein Bild von Hundi als Bildschirmschoner ein. Nicht, dass er jemals ein Bild von mir auf dem Computer gehabt hätte. Und wie das so ist, wenn man aufs Schlimmste gefasst ist: Das Interview im Tierheim ist nur halb so wild. Oder wir haben einfach Glück. Glück ist auch, wenn es nicht so schlimm kommt wie erwartet, denke ich und unterschreibe mit L. den Schutzvertrag für Fellknäuel. Wir haben jetzt einen Hund. Der wird in den vorschriftsmäßig mit einem Trenngitter versehenen Kofferraum geladen. So stelle ich mir das vor, wenn man aus dem Krankenhaus mit dem neugeborenen Nachwuchs nach Hause kommt: L. hat die Erstausstattung besorgt (Gummihuhn, Futter, Leckerli und Körbchen) und wir sind beide entsetzlich aufgeregt – heute ist schließlich unser WWA, der Welt-Welpen-Abholtag, wie ihn Hundeversteher Martin Rütter nennt.
    Wir sind noch keinen ganzen Tag zu Hause mit dem Tier, da passieren plötzlich verschiedene Sachen gleichzeitig:
Uns wird von Freundes- und Familienseite unterstellt, der Hundi sei ein Kindsersatz. Ich verstehe das, Hundi ist ja auch noch ein Baby. Allerdings bin ich mitnichten seine Mama, so eine hat das Tier nämlich schon, ich habe sie mit eigenen Augen gesehen und sie sieht mir nicht im Geringsten ähnlich.
Es entsteht eine komische Rollenverteilung. Da ich schon mal einen Hund hatte, bin ich die allwissende Instanz und stelle Regeln und Verbote auf. Hundi darf nicht aufs Sofa und nicht auf L.s Hand herumkauen, nicht mit den Schuhen spielen und auch keine Bücher »lesen«. Ich bin also die Verbotstante. L. hingegen ist der »Spielkumpel«. Ich komme mir vor wie die böse Stiefmutter und fühle mich ausgeschlossen.
Wir lernen, dass das Tier bei großer Freude sofort pischern muss.
    » Ich wollte doch ein Tier«, maule ich vor mich hin, während ich Suppengrün für das Abendessen klein schneide. L. und der Hundi hören mich nicht, die balgen sich gerade um das Gummihuhn. Ich bin eifersüchtig auf einen Welpen, toll. Wie bescheuert ist das denn? Wobei … eigentlich bin ich eifersüchtig auf L.! Das Fellknäuel soll mich mögen. Vielleicht liegt es daran, dass meine Regel im Anmarsch ist oder die Erwartung so groß war, ich komme mir jedenfalls vor wie das ärmste Ding auf der ganzen Welt.
    Ich lasse das Suppengrün Suppengrün sein und verdrücke mich aufs Sofa im Wohnzimmer. Hinlegen, Decke über den Kopf. Das funktioniert bei Welt- und Regelschmerzen immer noch am besten. Nix mit Johanniskraut und Wohlfühlbädern. Einmal ordentlich in Selbstmitleid gewälzt und richtig drauflosgejammert, das hilft. Und während ich schmollend unter der Decke liege und der Welt böse bin, bewegt sich der Stoff und es taucht eine schwarze, feuchte Hundenase in meiner Höhle auf. Kurz darauf schiebt sich der Rest des kleinen Hundeköpfchens unter meine Decke und sieht mich mit großen, sorgenvollen Augen an. Ich muss lächeln. »Na, du?« Der Kleine hält den Kopf schief, worauf sich seine Stirn etwas in Falten legt. Dann krabbelt er unelegant aufs Sofa, stupst mir an die Nase, gähnt und rollt sich in meinem Arm ein. Das ist der Moment, in dem mein Herzchen weich wird wie Butter in der Sonne. Ich streichle ein wenig über das weiche Fell und

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