Das Glücksprojekt
wahr. Das ist mein persönliches Dilemma mit dem Buddhismus. Es vermiest mir jetzt aber auch nicht das Leben.
Das Christentum ist nicht für seine große Glückseligkeit bekannt, das besticht mit Leiden. Haben Sie gelesen, was deren Märtyrer alles mitgemacht haben? Da wurde den Leuten die Gedärme gezogen, mit Striegeln die Haut geschält, sie wurden mit siedendem Öl übergossen und in kochendes Wasser gestoßen, das sich in der bronzenen Skulptur eines Stieres befand. Das sieht dann aus, als brülle der Stier. Und den weiblichen Märtyrerinnen wurden die Brüste abgeschnitten. Kein Wunder, dass alle zum Love & Peace Buddhismus überlaufen. Brüste abschneiden, also echt.
Gut, das ist nicht mehr gängige Praxis, das stimmt. Heutzutage kann man sich auch als Christ einen Schuss fernöstlicher Philosophie setzen, dazu gibt es Anselm Grün, einen Benediktinermönch, der mit seinem Nikolausbart wahnsinnig sympathisch aussieht. In 28 Sprachen sind seine Bücher mit Sinntexten inzwischen übersetzt worden – eine Art Superstar-Mönch. Die Texte lesen sich so:
»Im Schatten eines Baumes
Es war einmal ein Mann, den verstimmte der Anblick seines eigenen Schattens so sehr, der war so unglücklich über seine eigenen Schritte, dass er beschloss, sie hinter sich zu lassen. Er sagte zu sich: Ich laufe ihnen einfach davon. So stand er auf und lief davon. Aber jedes Mal, wenn er seinen Fuß aufsetzte, hatte er wieder einen Schritt getan, und sein Schatten folgte ihm mühelos. Er sagte zu sich: Ich muss schneller laufen. Also lief er schneller und schneller, lief so lange, bis er tot zu Boden sank.
Wäre er einfach in den Schatten eines Baumes getreten, so wäre er seinen eigenen Schatten losgeworden, und hätte er sich hingesetzt, so hätte es keine Schritte mehr gegeben. Aber darauf kam er nicht.«
»Pech!«, möchte ich da sagen. Oder etwas spirituell-metapheriger: Gut, wenn man immer einen Sonnenschirm dabeihat.
Während ich über das Christentum lese, stoße ich auf einen Text, der sich »Interview mit Gott« nennt. Das Interview besteht aus einem Haufen Plattitüden vor aquarellfarbenen Landschaften, aber am Ende wird Gott die Frage gestellt:
»Gibt es noch etwas, das deine Kinder wissen sollten?«
Und Gott antwortet:
»Dass ich hier bin. Immer.«
Da wird mir für einen Moment ganz warm im Bauch. Was für eine schöne Vorstellung. Wenn man das glauben kann, fühlt man sich bestimmt glücklich. Weil ich das aber nicht kann, nehme ich die Buddhismus-Nummer. Zum Thema Glück finde ich dort folgenden Spruch:
Subhuti fragte einst:
»Ihr habt gesagt, Meister, dass jemand, der dem Pfad folgt, weder Güte noch Glück zu suchen braucht. Wie kommt das?«
Und der Buddha entgegnete:
»Subhuti, ein wahrer Anhänger des Pfades wird Güte und Glück empfinden, sich aber nicht in Vorstellung von Glücklich-Sein und Gütig-Sein verstricken. Daher sage ich, dass er weder Güte noch Glück suchen braucht, da diese nichts weiter sind als gedankliche Fallen, denn Güte und Glück kommen zu uns, auch wenn wir von ihnen keine festen Vorstellungen haben.«
Ich rolle mit den Augen. Das geht ja gut los.
Lektion 1 in meinem Buch Buddhas Anleitung zum Glücklichsein ist Achtsamkeit. Achtsamkeit soll mir helfen, unerwünschte Gewohnheiten bewusst wahrzunehmen, um diese dann verändern zu können. Achtsamkeit , denke ich, das ist ein schönes Wort. Mir fallen aber hauptsächlich Un achtsamkeiten ein. Erst gestern habe ich einer kompletten Waschladung weißer Kochwäsche einen rosafarbenen Akzent verpasst, wegen dieses blöden roten Sockens, den ich nicht gesehen hatte. Ist das jetzt unangemessen, über verfärbte Kochwäsche nachzudenken, während man sich mit der buddhistischen Lehre auseinandersetzt? Hm. Ich lese weiter, »Übung« steht da. Da bin ich froh, ich brauche konkrete Anweisungen, nicht so ein Wischiwaschi mit Pfaden und Vorstellungen.
Übung: Ich werde morgens vor dem Aufstehen noch kurz wach liegen bleiben, mir meines Körpers bewusst werden und die ersten Gedanken heraufziehen lassen. Ich werde genau achtgeben, welche Gefühle ich hege, und diese liebevoll akzeptieren. Im Laufe des Tages werde ich versuchen, Momente bewusst wahrzunehmen und meine Empfindungen dabei genau zu erspüren. Und bevor ich einschlafe, werde ich Revue passieren lassen, wann ich mit meiner Achtsamkeit zufrieden war und wie sich das angefühlt hat.
Das krieg ich hin.
Als der Wecker klingelt, schalte ich ihn aus, um noch kurz wach liegen zu
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